Nach jahrelanger Hängepartie steht die Unterzeichnung des EU-Mercosur-Abkommens offenbar kurz bevor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen traf dazu am Donnerstag in Lateinamerika zu einem Gipfel der Mercosur-Staaten ein. „Die Ziellinie des EU-Mercosur-Abkommens ist in Sicht“, schrieb von der Leyen im Onlinedienst X. Sie wolle diese nun überschreiten.
Von der Leyen betonte, sowohl die EU als auch die Mercosur-Gruppe würden von einem Abschluss des Abkommens profitieren, das seit 25 Jahren verhandelt wird. Zu den Mercosur-Staaten gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
„Wir haben die Möglichkeit, einen Markt mit 700 Millionen Menschen zu schaffen“, schrieb von der Leyen weiter. Nach Angaben einer Kommissionssprecherin nutzte sie für ihre Kurzbotschaft einen Zwischenstopp in der brasilianischen Großstadt São Paulo, vor ihrem Weiterflug in Uruguays Hauptstadt Montevideo.
Damit ist es nun klar, dass von der Leyen am Freitag am Mercosur-Gipfel in Montevideo teilnimmt und dort das Freihandelsabkommen unterzeichnen will. Kommissionssprecher Olof Gill bestätigte in Brüssel diese Absicht. Er nannte das Abkommen „bahnbrechend und historisch“.
Im Kern sieht das EU-Mercosur-Abkommen den Wegfall der meisten Zölle vor. Nach Berechnungen der EU-Kommission würden sich für europäische Exporteure dadurch jährliche Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro ergeben. Zu den Profiteuren werden unter anderem deutsche Autohersteller und die Chemieindustrie gezählt.
Deutschland drängt deshalb seit Jahren zu dem Abschluss. „Wir müssen das Freihandelsabkommen Mercosur jetzt nach über 20 Jahren mal endlich fertig kriegen“, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November beim G20-Gipfel in Rio gesagt.
Frankreich hatte das Abkommen immer wieder in Frage gestellt. Auch Polen und Italien äußerten zuletzt Kritik. Die Länder fürchten vor allem negative Folgen für ihre Landwirte, etwa durch billigere Rindfleisch- oder Geflügelimporte aus Südamerika. Auch Umweltschützer haben Bedenken, sie fürchten eine weitere Rodung des brasilianischen Regenwaldes für den Anbau von Gen-Soja.
In Brüssel gilt es als politisch heikel, große EU-Länder wie Frankreich, Polen und Italien zu übergehen. Frankreich gilt nach dem Misstrauensvotum gegen die Regierung am Mittwoch als politisch geschwächt.
Von der Leyen kann das Abkommen allerdings auch gegen Widerstände in der EU unterzeichnen, da der Außenhandel zu ihren Kompetenzen gehört. Das wäre allerdings nur ein erster Schritt zur Umsetzung. Nach der Ausarbeitung der juristischen Textfassung will die Kommission das Abkommen den Mitgliedstaaten vorlegen.
Diese müssten den Vertrag mit einer qualifizierten Mehrheit beschließen. Das sind 15 Länder, die 65 Prozent der europäischen Bevölkerung umfassen. Anschließend müsste noch das Europaparlament den Text ratifizieren.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versucht zugleich hinter den Kulissen, eine sogenannte Sperrminorität zu organisieren, um einen EU-Beschluss doch noch zu verhindern. Dafür wären insgesamt vier Mitgliedsländer nötig, die mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Dies könnte Paris mit Hilfe von Italien, Polen und einem weiteren kleinen Land gelingen.
Darüber kann sich von der Leyen im Anschluss an den Mercosur-Gipfel direkt mit Macron selbst austauschen. Sie wird nach Angaben einer Kommissionssprecherin am Samstag in Paris erwartet. Dort nimmt sie an der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame mit Macron teil.