Doku zum 60. Geburtstag: „Total normal“ – ARD feiert Hape Kerkeling

Zum 60. Geburtstag von Hape Kerkeling schnürt die ARD einen multimedialen Thementag. Im Mittelpunkt: die 90-minütige Doku „Total Normal“.

Große Geburtstagsfeiern sind ja immer so eine Sache, Streit und Ärger bleiben oft nicht aus. Man hat sich lange nicht gesehen, die Sickergrube mit den persönlichen Altlasten ist längst über die Ufer getreten, der eine kann mit dem anderen nicht, der Braten ist verschmort, und das Geburtstagskind pennt im Ohrensessel ein. Na herzlichen Glückwunsch! 

Ein „total normaler“ Cast

Bei dem Geburtstag, der in „Total Normal“ im Mittelpunkt steht, könnte es ähnlich sein. Allein, wer sich hier alles versammelt hat: eine rotzfreche Göre, die gern mal am Eierlikör nippt. Ein etwas linkischer Twen im Leberwurst-Pulli. Ein Tenor mit merkwürdigem Kunstverständnis. Ein rücksichtsloser Rapper. Ein schmieriger Trenchcoat-Träger mit XL-Kauleiste. Nicht zu vergessen: ein Jüngling, der sich als niederländische Königin ausgibt.

Ein Wunder, dass die Sause zum 60. des Geburtstagskindes dennoch eine runde Sache wird? Nicht wirklich, ist ja klar. Beim obigen Party-Cast handelt es sich um ein und dieselbe Person, und all diejenigen, die zu Wort kommen, um eben ihm zu gratulieren, wissen nur Gutes zu berichten.

Humoristische Denkmalsetzung für Hape Kerkeling

Von einer „filmischen Reise in den beruflichen und persönlichen Kosmos von Hans-Peter Kerkeling“ ist die Rede im Presseinfo. Das mag etwas dröge klingen, „Hape Kerkeling – Total normal“, ein 90-minütiger Dokumentarfilm von André Schäfer und Eric Friedler, ist vielmehr eine kurzweilige Collage, die einem der größten Komiker Deutschlands ein Denkmal setzt – und ihn dabei dennoch nicht einfach auf einen Sockel hebt, obschon er da zweifelsohne hingehört.

Da sind zum einen natürlich die wunderbaren Filmschnipsel aus den verschiedenen Schaffensperioden von Hape Kerkeling. Als vorlauter Hannilein, mit Strubbelhaaren und Gags von platt bis pointiert. Als Peter Schlönzke, der in „Kein Pardon“ vom TV-Glotzer zum Showmaster mutiert. Als hurzender Tenor Mirosław Lem. Als finnischer Gangster-Rapper Petri Danger Valkinnen, der den Musiksender Viva mitsamt Moderatorin Milka aufmischt. Als Horst Schlämmer, einem Mann fürs Grobe. Und als Stullen essende Königin Beatrix. Hallouuuu! Winke-Winke! Alles bekannt, alles beliebt, Klassiker des deutschen Pantoffelkinos, zeitloser Humor in einer Reihe mit Granden wie Heinz Erhardt, Loriot und Otto Waalkes.

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„Bis heute gibt es keinen Nachfolger für ihn“

Letzterer war ein früher Förderer des jungen Comedy-Newcomers: Waalkes erkennt Kerkelings Talent, macht ihm auch nach einem verkorksten Auftritt im Hamburger „Logo“ Mut, weiter durchzuziehen, und gehört immer noch zu seinen größten Bewunderern. „Bis heute gibt es keinen Nachfolger für ihn“, so Waalkes im Film. „Hape ist und bleibt einzigartig.“ Neben Waalkes kommen so einige Kolleginnen und Kollegen mehr zu Wort, von Isabel Varell bis Judy Winter, Anke Engelke bis Angelika Milster, Günther Jauch bis Campino. Wunderbar auch Julius Weckauf, jener junge Schauspieler, der Kerkeling im Film „Der Junge muss an die frische Luft“ verkörperte, und hier mit ruhrpöttischem Charme von seinen Erfahrungen als Alter Ego von Hape erzählt.

Zwei Aspekte sind es, die „Hape Kerkeling – Total normal“ über die normalgebräuchliche – dabei natürlich vollends verdiente – Lobhudelei hinausheben. Mit Rosa von Praunheim kommt auch jener Zeitgenosse zu Wort, der Kerkeling einst gegen dessen Willen im Fernsehen als schwul outete. Und der „Betroffene“ selbst, das Geburtstagskind, der ebenso klar wie unverstellt, dabei nicht einen Deut bitter, auf diese einst so spektakuläre Episode zurückblickt. 

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Eine Geburtstagsfeier für die Ewigkeit

So wird Kerkeling selbst zum Protagonisten seines Festtags. Die Kamera folgt ihm auf einer Bootsfahrt durch Amsterdams Grachten, beobachtet ihn beim Einlesen eines Hörbuchs und ist auch dabei, als er in Herten-Scherlebeck den Tante-Emma-Laden seiner geliebten Großmutter Änne sucht. Eine Anwohnerin kommt auf ihn zu, verrät ihm, dass es das Haus leider nicht mehr gibt. Kerkeling reagiert so charmant wie resilient, entert stattdessen ein Lotto-Geschäft und lässt sich bereitwillig mit den Damen des Hauses ablichten – nahbar und sympathisch. Großartig auch die Episode, wie Kerkeling sich mal eben drei Gläser Wein auf einmal bestellt – „Ich weiß doch nicht, wann die Kellnerin hier mal wieder längs kommt“, die simple Begründung.

„Hape Kerkeling – Total Normal“ unterhält als stimmiger Rückblick, als ebenso unterhaltsame wie vielschichtige Hommage an einen der ganz Großen, angemessen nostalgisch, auch berührend, ohne auch nur im Geringsten rührselig zu werden, was doch auch irgendwie okay gewesen wäre. Der 90-Minüter bildet am Montag, 9. Dezember, um 20.15 Uhr das Kernstück der Geburtstagssause. Im Anschluss an die Dokumentation sendet die ARD um 21.45 Uhr Caroline Links Verfilmung von Hape Kerkelings Autobiografie „Der Junge muss an die frische Luft“, um 23:55 Uhr gibt es ein „Best-of“ seiner Sketche. Hörenswert ist „Hape Kerkeling – der Podcast“ in der ARD-Audiothek, wo der Künstler „3 nach 9“-Moderatorin Judith Rakers Rede und Antwort steht. Und sich dabei selbst überrascht: „Ich habe dir Sachen erzählt, die habe ich wirklich noch keinem erzählt.“

Happy Birthday, Hape Kerkeling!