Nach dem Verzicht des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke auf eine Bundestagskandidatur eskalieren die Konflikte in der Thüringer AfD. Es geht um Posten und Mandate.
An diesem Samstag will sich der Bundestagsabgeordnete Michael Kaufmann im Thüringer Saale-Wahlkreis erneut als Direktkandidat aufstellen lassen. Der Maschinenbau-Professor gehört zur regionalen AfD-Prominenz. Er gründete 2013 die Partei mit, war 2014 Spitzenkandidat für die Europawahl, amtierte als Vizepräsident im Erfurter Landtag und gewann schließlich 2021 den Wahlkreis mit deutlichem Abstand vor der CDU.
Kaufmann könnte also mit einigem Optimismus auf die Neuwahl im Februar blicken. Allerdings bekommt er nun überraschend Konkurrenz aus der eigenen Partei. Für die Nominierungsversammlung hat sich ein Gegenkandidat bei ihm gemeldet: Torben Braga, Parlamentarischer Geschäftsführer im Landtag und damit wichtigster Helfer von Landes- und Fraktionschef Björn Höcke.
„Die Kandidatur verwundert mich“, sagte Kaufmann dem stern, fügte dann aber eilig hinzu: „Ich möchte das im Vorfeld nicht bewerten.“
AfD will offenbar Junge Alternative auflösen 09.00
Braga selbst war für den stern nicht erreichbar. Weder ging er ans Handy, noch antwortete er auf schriftliche Anfragen.
Björn Höcke hatte wieder auf den Bundestag verzichtet
Aber das passt zu der Nervosität in einer Landespartei, die längst nicht mehr so geschlossen ist, wie sie von sich behauptet. Im Gegenteil: Die zahlreichen Machtkämpfe werden immer härter geführt.
Da ist zum Beispiel Stefan Möller, der seit mehr als einem Jahrzehnt gemeinsam mit Höcke der Thüringer AfD vorsteht. Er will in den Bundestag, nachdem sein Co-Landeschef nach längerem Kokettieren mal wieder auf eine Kandidatur verzichtet hatte.
Antreten will Möller im Wahlkreis 189, zu dem unter anderem Eisenach gehört. Auch hier hatte die AfD zuletzt gewonnen. Doch Wahlkreisinhaber Klaus Stöber befindet sich seit Monaten in einem erbitterten und öffentlich geführten Streit mit der Landesführung, die inzwischen ein Ausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet hat.
AfD gegen AfD: In Thüringen keine Ausnahme
Stöber gibt nicht auf. Da er weiß, dass er in der AfD-Wahlkreisversammlung keine Chance gegen Möller hat, will er als Einzelkandidat antreten.
Er lasse gerade Plakate drucken, sammele Unterschriften und wolle seinen Wahlvorschlag am 19. Dezember einreichen, sagte Stöber dem stern. Dann werde er zur Bundestagswahl gegen den wahrscheinlichen AfD-Kandidaten Möller antreten – und trotzdem Parteimitglied bleiben. „Ich gehe nicht freiwillig, sondern werde bis zum Bundesschiedsgericht gegen den Ausschluss kämpfen“, sagte er.
AfD gegen AfD: Klingt verrückt, gab es aber in Thüringen in diesem Jahr schon einmal. Als zur Kommunalwahl im Frühjahr die Kandidatenliste im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt nicht zur Zufriedenheit der Parteispitze zustande kam, wurde einfach nachträglich eine Konkurrenzliste gewählt, die von Höcke offensiv unterstützt wurde. Gegen einige der zuerst gewählten Bewerber, darunter einen Landtagsabgeordneten, leitete der Landesvorstand Ausschlussverfahren ein. AfD Höcke Rudolstadt 1300
Überhaupt gehen Höcke und Möller immer rüder gegen Mitglieder vor, die sich nicht an ihre Ansagen halten. Im Sommer verhinderten sie, dass zwei ordnungsgemäß gewählte, aber ihnen nicht genehme Landtagskandidaten beim Landeswahlleiter registriert wurden: Der Landesvorstand verweigerte einfach die vom Wahlgesetz vorgeschriebenen Bestätigungsunterschriften.
Schon damals warf der Bundestagsabgeordnete Stöber der Parteispitze vor, sie habe einen „regelrechten Kandidatentourismus“ organisiert, um „Mitglieder des Landesvorstandes inklusive enger Mitarbeiter und Vertrauter auf aussichtsreiche Wahlkreise zu verteilen“.
Dies wiederholt sich nun bei der Bundestagswahl. Neben Braga und Möller tritt erneut Höckes Büroleiter Robert Teske an. Er war bei der Landtagswahl im September gescheitert und bewirbt sich jetzt, wie er auf Anfrage des stern bestätigte, um die Direktkandidatur in Südthüringen – also in jenem Wahlkreis, in dem 2021 ein gewisser Hans-Georg Maaßen, damals noch CDU, spektakulär gegen die SPD verlor. Höcke Wartburgkreis 19:15
Höcke versucht offenbar, seine Helfer strategisch in der künftigen Bundestagsfraktion zu platzieren. Weil er selbst in Berlin keinen Führungsposten zu erwarten hat, sollen nun Möller, Braga und Teske installiert werden, wobei natürlich alle drei auch persönliche Ambitionen verfolgen.
Das Manöver richtet sich nicht nur gegen den Abgeordneten Kaufmann, sondern ebenso gegen Stephan Brandner. Der neben Höcke bekannteste Thüringer AfD-Politiker ist einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion und wurde im Sommer mit Bestergebnis als stellvertretender Vorsitzender der Bundespartei bestätigt. Er bekleidet also jene Ämter, die Höcke verwehrt bleiben – und hält ansonsten eine Art loyale Distanz zu seinem Landesvorsitzenden.
Nun ist Brandner in Ostthüringen, wo er seit vielen Jahren vernetzt ist, die erneute Direktkandidatur nicht mehr zu nehmen. Doch über die thüringische Spitzenkandidatur für den Bundestag, die Brandner 2017 und 2021 innehatte, entscheidet der Landesparteitag am 14. Dezember – und diesmal will Möller auf Platz 1 der Landesliste. Dies bestätigte er auf Anfrage.
Streit um Spitzenkandidatur in Thüringen
Dabei geht es nicht nur um Prestige, sondern auch darum, für den Fall abgesichert zu sein, dass die CDU angesichts ihres positiven Bundestrends wieder einige Wahlkreise zurückerobert. Dann könnte die Liste für die AfD-Bewerber ziemlich wichtig werden.
Brandner wollte sich gegenüber dem stern nicht zu dem Konflikt äußern. Aus der Partei ist übereinstimmend zu hören, dass er es auf eine Kampfabstimmung gegen Möller ankommen lassen wolle.
Zwar ist ein Gespräch zwischen den beiden Kontrahenten für die nächsten Tage anberaumt. Doch eine Einigung erscheint mindestens ungewiss.