Jaguar wagt den Neustart – und was für einen. Auf das kunterbunte Imagefilmchen folgte jetzt das vermeintliche Happy End. Imposanter Hauptdarsteller inklusive.
Gestatten Jaguar, Jaguar 00, elektrisch. Die Coupé-Limousine, die Ende 2025 vorgestellt wird, soll die britische Traditionsmarke mit völlig neuen Attributen in ein neues Zeitalter katapultieren. Die Fans grübeln, hadern und applaudieren – oder eben auch nicht.
Die Weltpremiere des Type 00 war der zweite Akt in einer Aufführung, die die Autowelt so bisher wohl nicht gesehen hatte. Jaguar will, Jaguar muss sich neu erfinden, wenn es eine Zukunft geben soll. Deshalb die große Bühne mit Stars und Sternchen auf der Art Miami. Kunst statt Auto im Art District und irgendwie auch andersherum. JLR-Chefdesigner Gerard Gabriel – kurz Gerry – McGovern enthüllte den neuen Type 00 gleich im Doppelpack, um zu zeigen, dass es Jaguar ernst meint mit dem kompletten Neustart der Marke. Tiefdunkles grün außen und beiges Leder innen sind von vorgestern.
Vorstellung der neuen Autos folgt auf Shitstorm
Der erste Imagefilm zur Jaguar-Renaissance, der vor knapp zwei Wochen über die weltweiten Social-Media-Kanäle flimmerte, zündete wie eine Bombe. Urbane Trendpeople, als Teletubbies in bunte Kleidchen gehüllt, sorgten für ein nie dagewesenes Medienecho und einen Shitstorm, der nicht allein in der verschlafenen Autoszene seinesgleichen suchte. Jaguar wollte zum Neustart der Marke Aufsehen um jeden Preis und dieser Plan ging auf. (Luxus-Marke Jaguar streicht Raubkatze aus dem Logo – Fans sind entsetzt)
Trotz überschaubarer Budgets eroberte der sportlichere Teil der Marke Jaguar Land Rover mit einem einzigen 30-Sekünder den ganz großen Auftritt; um einiges lauter als ehemals gedacht und wohl auch geplant. „Wir hatten damit gerechnet, dass wir polarisieren und genau das wollten wir auch“, erzählt ein Markeninsider, „aber, dass es einen derart großen Aufschrei geben würde, hat uns dann doch überrascht.“
Rawdon Glover, Managing Director bei Jaguar, erklärt den markigen Erstaufschlag auf Youtube, X (ehemals Twitter) und Instagram: „Jaguar ist eine Marke mit einer unglaublichen Historie. Das Design und die Le Mans Erfolge – wir mussten großen Schritte bei der Neupositionierung der Marke machen. Daher wollten wir maximale Aufmerksamkeit gemäß dem Slogan ‚copy nothing‘.“
Es ist wohl richtig, dass es so ein Auto noch nicht gab. Aber hat es gefehlt?
© Stefan Grundhoff
Keine Frage, Jaguar muss sich neu empfinden. Viele Jahre ging es langsam abwärts und der traditionsbeladene Autohersteller als England konnte die immense Schlagzahl der internationalen Konkurrenz nicht mehr mitgehen. Dass Jaguar nunmehr in einem diffusen Markenquartett neben Range Rover, Discovery, Defender existiert, machte es nicht leichter. Nicht nur für eingefleischte Fans der Briten gibt es unverändert allein zwei Marken: Jaguar und Land Rover – der Rest sind Modelle. Basta!
Jaguar ist stolz auf die neuen Modelle
Auf der Art Miami feierten die Briten nunmehr farbenprächtig und lauter denn je den Neustart der neuen Marke Jaguar: edler, bunter, zeitgemäßer und ganz nebenbei auch elektrischer als je zuvor. Das Erstlingswerk ist der Jaguar Type 00, ein massives Coupé, das die neue Designsprache, entstanden unter Chefkreativkraft Gerry McGovern, mit einem immensen Paukenschlag einführen soll.
Die Studie des Type 00 soll einen seriennahen Ausblick geben auf eine über fünf Meter lange Coupélimousine, die im Unterschied zum Miami-Modell über vier Türen verfügt. Anders als bei vielen Elektroautos erinnert die massive Front an Modelle wie den Rolls-Royce Phantom oder gar das Filmauto aus „The Green Hornet“. Gewaltige 23-Zoll-Räder, monumentale Karosserieelemente und ein massives Heck im Lamellendesign – britisches Understatement und filigrane Formen sucht man beim Type 00 auf Basis der neuen JEA – Jaguar Electric Architecture – ebenso vergeblich wie beim späteren Serienmodell.
Für den Antrieb sorgt kein imposant aufgeladener Achtzylinder mit elektrischer Unterstützung, sondern ein reiner Elektroantrieb. Allradantrieb, Allradlenkung sowie Motorleistungen von bis zu 1.000 PS sin ebenso gesetzt wie WLTP-Reichweiten von bis zu 770 Kilometern. Ein 800-Volt-Bordnetz dürfte dafür sorgen, dass das Batteriepaket im Unterboden an einem 350-kW-Charger in 15 Minuten um mehr als 320 Kilometer an Reichweite erstarkt.
Das Heck erinnert an Science-Fiction-Filme
© Stefan Grundhoff
Ansonsten lässt einen die Miami-Studie mit ihrem puristischen Interieur, Hightech-Sesseln und edlen Details von einer automobilen Zukunft träumen, in der der springende Jaguar als Firmenlogo keinerlei Bedeutung mehr hat. Zusammen mit dem Type 00 werden eine neue Typographie, geänderte Signets sowie ein neues Logo eingeführt. Statt der springenden Katze gibt es auf Lenkrad oder Felgen nunmehr ein JR-Emblem. „Kleine Reifen und eine kurze Haube machen bei den Elektroautos fast alle – wir wollten das anders lösen“, erläutert Rawdon Glover, „so sieht derzeit nichts auf der Straße aus.“
Das hat vielleicht jedoch auch seinen Grund. Zumindest räumt Jaguar ein, mit der neuen Designsprache nicht jedem gefallen und explizit polarisieren zu wollen. Das gilt auch für die beiden Modelle, die auf der Art Miami zu bewundern sind. Klassisches British Racing Green oder gedeckte Farben wie bei einem gewöhnlichen Modell aus dem Luxussegment sind bei Agent 00 passé. Das eine Modell präsentiert sich in Miami Pink; das zweite in London Blue. Hier unweit von Ocean Drive und Art Deco District genau richtig; doch in einer deutschen, britischen oder kalifornischen Einfahrt dürfte die 2026 folgende Serienumsetzung wohl in diesem Farbschema eher schwertun. Es gibt daher noch einiges zu tun. Nicht allein an der Farbpalette.