In den Haag wird Rechtsgeschichte geschrieben: Juristen sollen entscheiden, ob alle Länder zum Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet werden sollen. Was das Urteil bedeuten würde.
Nach dem enttäuschenden Klimagipfel in Aserbaidschan sollen nun Richter über den Kampf gegen den Klimawandel entscheiden. Bei den Verhandlungen in Baku hatten Delegierte aus annähernd 200 Ländern darum gerungen, wer künftig für den Klimawandel verantwortlich ist und die Schäden finanzieren soll. Der Globale Norden hatte gefordert, weitere Länder wie China oder die Golfstaaten in die Pflicht zu nehmen. Laut einer UN-Klausel gelten diese Staaten noch als Entwicklungsländer, die trotz ihres Reichtums, den sie in Städten wie Riad oder Peking präsentieren, von Klimahilfen profitieren. Dabei zählen viele von ihnen heute zu den Hauptzerstörern des Planeten und müssten deshalb selbst zahlen.
Nun wird die Frage über Schuld und Verantwortung den Richtern des höchsten UN-Gerichts in Den Haag (UGH) übergeben. Sie sollen in den kommenden Wochen bestimmen, ob Staaten zum Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet werden sollen. Für manche Länder geht es dabei bereits um Leben und Tod: Gerade in armen Inselstaaten oder an den Küsten Ostasiens sind zahlreiche Existenzen durch den steigenden Meeresspiegel und Wirbelstürme bedroht.IV Konservative Klimapolitik 15.30
Der Fall ist deshalb historisch. Je nachdem, wie das Gutachten ausfällt, könnte das Konsequenzen für bisherige und künftige Klimaurteile nach sich ziehen. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen:
Worum geht es genau?
Die UN-Generalversammlung hatte den Internationalen Gerichtshof bereits im Jahr 2023 um eine Einschätzung zu der Frage gebeten, wie sehr Staaten im Kampf gegen den Klimawandel zur Verantwortung gezogen werden sollen. Die Richter in Den Haag sollen ein Rechtsgutachten erstellen, das zwei Fragen beantwortet:
Welche rechtlichen Verpflichtungen haben Staaten, um Umwelt und Klima gegen die schädlichen Emissionen der Treibhausgase zu schützen?Welche Konsequenzen sollen ihr Handeln beziehungsweise Nichthandeln nach sich ziehen? Sind Staaten haftbar für Schäden?
Wer nimmt an den Verhandlungen teil?
98 Staaten und 12 Organisationen sollen vor den 15 Richtern im Friedenspalast in den kommenden zehn Tagen ihre Argumente präsentieren. Deutschland nimmt gleich am Montag Stellung. An den Verhandlungen nehmen auch Autoren des Weltklimaberichts (IPCC) teil.Hat die Klimakonferenz als Format ausgedient? 21.55
Die USA und China, die größten Emittenten der Welt, werden ebenfalls Erklärungen abgeben, auch wenn keiner von beiden die Autorität des Gerichtshofs voll anerkennt.
Warum ist das Gutachten historisch?
Das Rechtsgutachten ist zwar nicht bindend, kann aber Klimaprozesse weltweit beeinflussen und Staaten zu mehr Klimaschutz zwingen.
Angestoßen wurde das Projekt von der kleinen Inselgruppe Vanuatu. Sie gehört zu den Ländern und Regionen, die laut Weltrisikobericht am stärksten vom Klimawandel betroffen ist. Ilan Kiloe, Rechtsberater einer regionalen Untergruppe, der Fidschi, Papua-Neuguinea, die Salomonen und Vanuatu angehören, sagte dem britischen „Guardian“: „Die harte Realität ist, dass viele unserer Völker nicht überleben werden.“
Deshalb wollen sie gemeinsam mit anderen stark vom Klimawandel betroffenen Ländern die reichen Staaten dazu zwingen, für Schäden aufzukommen. Die Inselgruppe wird am Montag als erstes von 98 Ländern ihre Stellungnahme vor den Richtern präsentieren.