Mit „Aktenzeichen XY“ gehen deutsche Fernsehzuschauer einmal im Monat auf Verbrecherjagd. Was viele nicht wissen: Der Erfinder brauchte einst Polizeischutz, und der jetzige Moderator wurde einmal irrtümlich festgenommen. Hier sind sieben spannende Fakten zur Sendung.
„Aktenzeichen XY … ungelöst“ ist ein Dinosaurier in der deutschen Abendunterhaltung. Viel Evolution hatte dieser Dino nicht nötig, und er hat sich dennoch extrem gut gehalten. Auch in Zeiten, in denen viele Menschen lieber Inhalte streamen, lockt dieses lineare, also zeitgebundene, Format Monat für Monat jeweils am Mittwochabend im ZDF Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. In der Sendung vom März dieses Jahres waren es beispielsweise gut 5,5 Millionen.
Erstmals ausgestrahlt im Oktober 1967, ist das Format eines der ältesten im deutschen Fernsehen, aber noch immer eines der beliebtesten. Und das, obwohl sein Konzept im Kern in mehr als fünf Jahrzehnten nahezu unverändert blieb. Mittlerweile gibt es sogar Ableger der Sendung, wie Spezialformate, in denen es um Cold Cases, vermisste Personen oder gelöste Fälle geht und – einen Podcast.
Im Laufe der Zeit machte die Sendung durch große Erfolge, harsche Kritik und kuriose Ereignisse auch rund um die Moderatoren von sich reden.Aktenzeichen Vermisst Cold Case
1. Rudi Cerne war Eiskunstlauf-Profi und wurde einmal mit Christian Klar verwechselt
Viele TV-Zuschauer kennen Rudi Cerne vor allem als Moderator von „Aktenzeichen XY“ – schließlich macht er diesen Job schon seit 2002. Doch der TV-Moderator hat auch eine beachtliche Karriere als Profi-Eiskunstläufer hinter sich und feierte in den 70er- und 80er-Jahren bedeutende nationale und internationale Erfolge.
Als junger Mann – eben während dieser Zeit als Profi-Eiskunstläufer – hatte der hagere Cerne eine gewisse Ähnlichkeit mit dem damals gesuchten Terroristen der „Rote Armee Fraktion“ (RAF), Christian Klar. Cerne erinnerte sich vor ein paar Jahren in der „Bild“-Zeitung, wie er 1978 am Airport Düsseldorf landete – und gleich nach dem Aussteigen aus der Maschine in den Lauf einer Pistole blickte. Cerne wurde festgenommen, weil die Polizisten ihn für den gesuchten Terroristen Klar hielten. Zum Glück war die Verwechslung nach einer halben Stunde aufgeklärt, Cerne kam sogleich frei, aber den Beamten war die ganze Sache damals ganz schön peinlich.
2. Sendungs-Erfinder Eduard Zimmermann brauchte einst Polizeischutz
Von 1967 an war Eduard Zimmermann drei Jahrzehnte Kopf und Gesicht der Sendung. Aber gerade zu Beginn des Formats war dies in Teilen der Bevölkerung umstritten. Die 60er und 70er Jahre waren die Zeit der Studentenproteste – und schließlich auch des Terrorismus der RAF. Zimmermann wurde von Kritikern vorgeworfen, er betreibe mit seiner Fahndungssendung eine „Menschenjagd“ und das Format schüre Vorurteile und den Hass auf Minderheiten. „In den siebziger Jahren, zu den Hochzeiten der RAF, stand er auf der Abschussliste der Terrorgruppe und unter Polizeischutz“, erinnerte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in einem Nachruf auf den 2009 verstorbenen Zimmermann.
3. Als junger Mann saß Zimmermann in Bautzen im Gefängnis
Zimmermann führte vor seiner Karriere bei „Aktenzeichen XY“ ein bewegtes und auch gefährliches Reporterleben. 1949, im Alter von 20 Jahren, bekam er als Mitarbeiter einer schwedischen Zeitung einen Auftrag, der ihn ins Gefängnis bringen sollte. Als er über die Lebensverhältnisse in der DDR dort recherchierte, nahm man ihn unter Spionageverdacht fest. Das Urteil: 25 Jahre Haft. Immerhin viereinhalb Jahre davon musste er im berüchtigten DDR-Gefängnis in Bautzen absitzen. 1954 ging der gebürtige Münchner in den Westen zurück, machte dort Karriere als Journalist und landete schließlich beim ZDF.spurensuche 4-8 14.47
4. „Aktenzeichen XY“ war in den 60er Jahren international eine absolute Neuheit
Heute gibt es weltweit etliche Unterhaltungsformate, deren Ziel die Verbrechensaufklärung ist. Man könnte also meinen, das ZDF hätte vielleicht seine Ganovenjagd in den USA oder Großbritannien abgekupfert. Weit gefehlt: Eduard Zimmermann ist der Urheber der Idee und schuf in den späten 60er Jahren eine absolute Weltneuheit. Neu war daran, dass eine TV-Sendung in Kooperation mit der Kriminalpolizei unaufgeklärte Verbrechen behandelte.
5. Der erste Fall wurde schon in Sendung Nummer 6 aufgeklärt
Bereits ein knappes Jahr nach dem Start der Sendung, im Juni 1968, verzeichnete Zimmermanns Verbrecherfahndung den ersten Erfolg. Sein Credo war seit der ersten Sendung „Den Bildschirm zur Verbrechensbekämpfung nutzen“ – und schon bald sollte dies auch eintreffen. Mit Hilfe der Zuschauer wurde nach der sechsten Folge von „Aktenzeichen XY“ ein Raubmord aufgeklärt. Der Täter wurde anhand einer geraubten Uhr gefunden und gefasst und schließlich zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Dieser Fall trug in der Anfangszeit wesentlich zur Image-Verbesserung der Sendung bei.
6. Mehr als 5060 Fälle in mehr als 50 Jahren
Im Mai dieses Jahres veröffentlichte das ZDF eine neue Statistik zu den bisher vorgestellten Fällen: Es waren bislang mehr als 5060, die Aufklärungsquote durch das TV-Format lag laut dem Sender bei knapp 40 Prozent. Moderator Cerne hält die Zuschauer in jeder Sendung über erfolgreiche Fahndungen auf dem Laufenden. So hatte es auch schon Zimmermann gehalten.
Eine Tradition aus den 60er Jahren ist auch die internationale Zusammenarbeit. Bei „Aktenzeichen XY“ werden nicht nur Verbrechen aus Deutschland gezeigt, auch ausländische Polizeibehörden können zuweilen mit Hilfe von Cerne und seiner Redaktion an die Öffentlichkeit gehen.PAID CRIME 15 Im Dunkeln
Und wie entstehen die Filme, in denen die Tathergänge beschrieben werden? Dies geschehe in einer engen Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Ermittlungsbehörden, schreibt das ZDF. Die Filme sollen dann den aktuellen Kenntnisstand der Ermittler darüber wiedergeben, wie eine Tat verübt wurde.
7. Der „Weiße Ring“ geht auf „Aktenzeichen XY“ zurück
Viele Menschen haben wahrscheinlich schon einmal vom „Weißen Ring“ gehört, einer Hilfsorganisation, die die Interessen von Kriminalitätsopfern und ihrer Familien vertritt und sie in rechtlichen und finanziellen Fragen unterstützt. Denn wer Opfer eines Verbrechens wird, gerät oft auch materiell und psychisch in Not, die Bewältigung des Geschehens kann Jahre oder Jahrzehnte dauern oder nie gelingen. Was aber wohl nur Wenige wissen: Auch dieser Verein wäre ohne „Aktenzeichen XY“ wohl nie entstanden. Denn gegründet wurde der Verein, der inzwischen auch Ableger im Ausland hat, 1976 vom „XY“-Erfinder – von Eduard Zimmermann.
Quellen: Pressemappe zu „Aktenzeichen XY„, „Sueddeutsche.de„, „Quotenmeter.de„, „Bild.de„