Endlich legt der Vorstand des Essener Konzerns konkrete Pläne für seine Stahlsparte Thyssenkrupp Steel auf den Tisch. Aber lassen sie sich schnell genug realisieren?
Wenn es um die Stahlsparte geht, gab es im Konzernvorstand und Aufsichtsrat von Thyssenkrupp seit Jahren drei Probleme: erst fehlende Einsicht, dann ausgeprägte Entscheidungsschwäche und schließlich mangelnde Umsetzungsgeschwindigkeit. Für die fehlende Einsicht stand der frühere Konzernchef Heinrich Hiesinger, der an die Integration der Stahlsparte glaubte, als der Zug längst abgefahren war. Für losgelöste Gehirngeburten („Group of Companies“), die nichts bewegten, ereiferte sich seine Nachfolgerin Martina Merz.
Der heutige Chef Miguel López kommt jetzt mit der Brechstange und greift endlich durch. Zumindest auf dem Papier: 11.000 von heute 27.000 Jobs fallen in der Stahlsparte weg – zum Teil durch Personalabbau, zum Teil durch Teilverkäufe, zum Teil durch die Übertragung von Aufgaben auf externe Dienstleister. Auch die Tochter HKM wird wohl schließen, obwohl offiziell noch die Suche nach einem Investor läuft. Das alles ist hart für die Beschäftigten, aber unvermeidbar.
Thyssenkrupp-Aktie reagiert kaum
López hat das Erkenntnis- und auch das Entscheidungsproblem bei Thyssenkrupp erst einmal gelöst. Das muss man ihm zugutehalten. Aber natürlich ist damit noch nicht das Umsetzungsproblem gelöst. Offiziell soll der Personalabbau erst 2030 beendet sein. Doch fünf Jahre sind einfach ein viel zu langer Zeitraum. Die Aktie des Konzerns, die innerhalb eines Jahres fast die Hälfte ihres Werts verloren hat, zeigte so gut wie gar keine Reaktion, nachdem der López-Plan am Montag über die Ticker der Nachrichtenagenturen gelaufen war. Man kann das nur so interpretieren: Wir hören die Ankündigungen wohl, aber wir glauben nicht daran, dass sie sich auch schnell genug realisieren lassen.
STERN Kommentar zur Staatshilfe für Industrie 12.08
Auf jeden Fall tickt die Uhr für den Stahl in Duisburg immer lauter. Gegenwärtig gibt es keine Anzeichen für eine stärkere Nachfrage und höhere Preise. Die Kosten müssen also schnell herunter und nicht erst gestreckt über einen längeren Zeitraum. Der Mutterkonzern hat sich nur bereit erklärt, für zwei Jahre die Liquidität für die Tochter zu sichern. Und ob die Verselbständigung mit dem Einstieg des tschechischen Großinvestors klappt, ist noch keineswegs ausgemacht.
Gegenwehr der Gewerkschaft IG Metall
Von den 11.000 Stellen, die Thyssenkrupp loswerden will, entfallen gerade einmal 5000 auf den direkten Personalabbau. Diese Zahl liegt eher am unteren Ende der Erwartungen. Trotzdem reicht sie aus, um die stets kampfbereiten Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall in Rage zu versetzen. Man muss mit heftigem Streit rechnen. Und in der Vergangenheit gab es immer wieder faule Kompromisse, weil der Vorstand eine harte Auseinandersetzung scheute.
Vielleicht kommt es dieses Mal anders. Für López gilt unter den Arbeitnehmern in Duisburg die Devise: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Die IG Metall hat bereits so häufig den Kopf des Vorstandsvorsitzenden gefordert, dass sie jetzt kaum noch radikalere Forderungen stellen kann. Und der Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm, ein ähnlich harter Hund wie López, knickt ebenfalls nicht ein, wie die letzten Monate gezeigt haben. Einen internen Kritiker sind die beiden nun auch los: Personalvorstand Oliver Burkhard gibt sein Amt auf und stürzt sich künftig mit voller Kraft in seine Aufgabe als Chef der Marine-Sparte. Auch dort müssen schnelle Lösungen her.