Meinung: Die gefährlichen neuen Oligarchen

Multimilliardäre wie Elon Musk greifen rund um den Globus immer stärker in die Weltpolitik ein. Eine sehr gefährlicher Trend für die Wirtschaft

Der einflussreiche Multiaufsichtsrat Joe Kaeser brachte kürzlich auf den Punkt, was bis vor kurzem als undenkbar galt: „Elon Musk wird vermutlich der erste Oligarch in den USA werden.“ Oligarch? Diesen Begriff kannten wir bisher nur aus Russland, wo sich einige schwerreiche Industrielle Teile der Politik untertan machen und Staatsvermögen ausplündern können nach Belieben, so lange sie dem Diktator dabei nicht in die Quere kommen. Platon brachte das Wort Oligarchie vor 2500 Jahren als erster in die philosophische Debatte ein als Synonym für die „gesetzlose Herrschaft der Reichen“. Mit Demokratie verträgt sich ein solches System nicht. Und mit einer Marktwirtschaft auch nicht.

Donald Trump beruft außer Musk gleich zwei weitere Milliardäre in sein inneres Machtzentrum, Howard Lutnick (Handel) und Linda McMahon (Erziehung). Bei allen dreien, vor allem aber Musk, besteht die Gefahr, dass sie ihre privaten finanziellen Interessen mit ihren politischen Aufgaben vermischen. Das gilt vor allem für den reichsten Mann der Welt, der auf der einen Seite für eine schlankere Administration sorgen will, auf der anderen Seite aber selbst wirtschaftlich von Regierungsregeln und Staatsaufträgen profitiert.

Elon Musk ist kein Einzelfall in der Weltpolitik

Trump verstärkt einen weltweiten Trend: die Oligarchisierung der Politik. In der kleinen Republik Georgien beherrscht der Milliardär Bidsina Iwanischwili das ganze Parteiensystem und kauft sich bei Wahlen regelmäßig Mehrheiten zusammen. Im großen Indien haben sich Superreiche wie Gautam Adani so eng mit der Regierung verklammert, dass sie ihre Interessen in der Regel problemlos durchsetzen. Und auch mitten in Europa, im Ungarn Viktor Orbáns, breitet sich eine Oligarchenclique ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz immer weiter aus.

Musk zieht auf X über Bezos her 21.00

Nun nahmen die Reichen schon immer überproportional Einfluss auf das Handeln der Regierungen. In den USA gehört ein gehöriges Vermögen schon seit langem zu den Grundvoraussetzungen, um politisch Karriere zu machen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und doch bricht mit den Berufungen, die Trump durchsetzen will, ein ehernes ungeschriebenes Gesetz: dass es zu keinen direkten Konflikten zwischen den eigenen Finanzinteressen und den Aufgaben des Amtes kommen darf. Da sich Trump jedoch selbst nicht an dieses Gebot hält, ja nicht einmal seine Vermögensverhältnisse offenlegt, sollte man es auch nicht von seinen Getreuen im Kabinett erwarten. Damit gerät etwas ins Rutschen, was sowohl die Demokratie als auch die Marktwirtschaft gefährdet.

Oligarchie und stabiler Rahmen im Widerspruch

Die „Herrschaft der Wenigen“ (so die wörtliche Übersetzung von Oligarchie) hebt die Trennung zwischen dem Staat, der einen Rahmen für die Wirtschaft setzt, und den Unternehmen, die innerhalb dieses Ordnungsrahmens frei miteinander konkurrieren, tendenziell auf. Korruption und die Fehlallokation von Kapital treten an die Stelle eines Systems, das immer noch für mehr ökonomische Effizienz sorgt als alle anderen Systeme. Wer darauf hofft, ein unternehmerisches Wunderkind wie Musk werde am Ende schon seinen Genius auf die Verwaltung übertragen und damit Gutes bewirken, übersieht die Erfahrungen von 200 Jahren Kapitalismus.   

Bernd_Ziesemer

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