Jahresrückblick: Von Bernstein bis Wyludda: Die Toten des Jahres 2024

Auch im Jahr 2024 haben zahlreiche ehemals erfolgreiche Sportler, Trainer und Sportfunktionäre aus dem Bereich der ostdeutschen Bundesländer die Welt verlassen.

Sie waren Olympiasieger, Weltmeister, Sportstars oder Funktionäre. Die Deutsche Presse-Agentur erinnert zum Jahresabschluss an jene, die 2024 verstorben sind.

Kay Bernstein (8. September 1980 – 16. Januar 2024): 

Kay Bernstein wechselte bei Hertha BSC den Platz von der Fankurve auf die Haupttribüne. Dass er im Sommer 2022 tatsächlich zum Präsidenten des Fußball-Zweitligisten gewählt wurde, war auch eine klatschende Ohrfeige für das Vereins-Establishment der Berliner. 

Bernstein stürzte sich mit voller Kraft in die Aufgabe. Nicht nur mit seiner allgegenwärtigen Hertha-Trainingsjacke, sondern auch mit seiner offenen Art. Dazu trat er als Kritiker der Auswüchse des modernen Fußballs in Erscheinung. Es gelang ihm und seinen Unterstützern, die Stimmung um den Verein deutlich zu verbessern. Zwischen Fans und Mannschaft entstand ein Band, das auch Misserfolge aushielt.

Joachim Franke (30.03.1940 – 19.03.2024):

Er machte Claudia Pechstein zu einer der erfolgreichsten Eisschnellläuferinnen der Welt: Joachim Franke. Als er am 19. März in einem Pflegeheim in Bernau bei Berlin starb, war die mittlerweile 53 Jahre alte Pechstein untröstlich. „Er war für mich einfach alles. Hat mich geformt, zu einem Weltstar gemacht. Ich habe ihm alles zu verdanken. Mach’s gut, Trainer. Möge Dir der Himmel ein schönes Plätzchen bereithalten. RIP“, sagte die fünfmalige Olympiasiegerin, die 16 Jahre lang mit Franke zusammengearbeitet hatte.

Vor seiner Karriere als Eisschnelllauftrainer war Franke Eishockeyspieler bei Dynamo Weißwasser. Mit der DDR-Auswahl gewann er 1966 EM-Bronze. Für seine Leistungen bei der Förderung des sportlichen Nachwuchses wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. 2007 hatte sich der langjährige Erfolgstrainer in den Ruhestand verabschiedet. 

Gisela Birkemeyer-Köhler (22.12.1931 – 26.03.2024): 

Die frühere Hürdensprint-Weltrekordlerin Gisela Birkemeyer-Köhler war nur noch den wenigsten bekannt. Am 26. März war die gebürtige Thüringerin im Alter von 92 Jahren in ihrer Heimat Berlin verstorben. Bei den Olympischen Sommerspielen 1956 hatte sie unter ihrem Mädchennamen Köhler Silber über 80 m Hürden gewonnen, vier Jahre später holte sie in Rom Bronze. 

Die 40-malige DDR-Meisterin lief 1960 in Leipzig über 80 Meter Hürden als erste Frau der Welt 10,5 Sekunden. Zudem erzielte sie mit der DDR-Staffel mehrere Weltrekorde. 1959 war sie Sportlerin des Jahres in der DDR. 1957 heiratete Köhler ihren Trainer Horst Birkemeyer, nach ihrer Karriere war sie als Nachwuchstrainerin beim SC Dynamo Berlin tätig.

Siegfried Kirschen (13.10 1943 – 19.04.2024):

Er war einer der bekanntesten Fußball-Schiedsrichter der DDR: Siegfried Kirschen. Er verkörperte Weltklasse-Niveau, leitete zwischen 1972 und 1991 251 Spiele in der DDR-Oberliga und galt dort als absolute Autorität. Seit 1979 gehörte er zum erlauchten Kreis der Fifa-Schiedsrichter. Als junger Spieler war er beim SC Motor Karl-Marx-Stadt ein torgefährlicher Rechtsaußen. Eine schwere Verletzung zwang ihn zum Abbruch seiner aktiven Laufbahn, er wurde Schiedsrichter.

Kirschen kam 1986 und 1990 bei zwei Weltmeisterschaften zum Einsatz, wo er jeweils zwei Partien leitete. Nach seiner Schiedsrichterkarriere wurde der Lehrer und Psychologe Funktionär, war von 1990 bis 2018 Präsident des Fußballverbandes Brandenburg. Zudem war er Schiedsrichter-Coach in der Bundesliga sowie internationaler Schiedsrichterbeobachter.

Manfred Wolke (14.01. 1943 – 29.05. 2024):

Mit Manfred Wolke starb am 29. Mai ein Mensch, der als Sportler und Trainer erfolgreich war. Als Weltergewichtler gewann er unter anderem 1968 in Mexiko City Olympia-Gold. Berühmt wurde Wolke vor allem als Trainer von Henry Maske, den er 1988 in Seoul zum Olympiasieger im Mittelgewicht und danach zum Weltmeister (Halbschwergewicht) machte – und das sowohl bei den Amateuren als auch später bei den Profis. Zu Wolkes Boxern gehörten auch der olympische Goldmedaillen-Gewinner Rudi Fink und Schwergewichtler Axel Schulz. 

„Einige Sportler, die als durchschnittlich galten, sind unter ihm zu international erfolgreichen Boxern geworden“, meinte Maske. „Natürlich muss es der Sportler alleine machen, aber Manfred Wolke war der Begleiter, der ihnen Möglichkeiten aufzeigte und Forderungen stellte, die sie wahrscheinlich sonst nicht umgesetzt hätten.“

Bernd Bauchspieß (10.10. 1939 – 22.10. 2024): 

Was Gerd Müller für den FC Bayern war, war Bernd Bauchspieß für Chemie Leipzig. Der von allen nur „Spießer“ gerufene Stürmer prägte bei den Leutzschern eine Ära. Kein anderer Chemiker erlangte jemals so viel Bekanntheit wie der ehemalige DDR-Nationalspieler, der 120 Treffer in 264 DDR-Oberliga-Spielen erzielt hatte. Der gebürtige Zeitzer Bauchspieß war ein exzellenter Techniker am Ball und vereinte wie kein anderer die Leutzscher Tugenden, Kampfgeist und Zweikampfhärte, mit einer großen Portion Spielwitz.

Der überraschende DDR-Meistertitel mit der BSG Chemie 1964 war der Lohn für die harte Arbeit der selbst ernannten Aussortierten, die 1966 auch noch den FDGB-Pokalsieg holten. Dreimal war Bauchspieß Torschützenkönig der DDR-Oberliga. Der weit über das Rentenalter hinaus als Orthopäde arbeitende Bauchspieß gewann 1964 in Tokio mit der Olympia-Auswahl die Bronzemedaille.

Michael Hübner (08.04. 1959 – 12.11. 2024): 

Oberschenkel so dick wie manch ein Oberkörper waren das Markenzeichen von Michael Hübner. Obwohl ihm eine Olympia-Teilnahme in seiner Karriere verwehrt blieb, zählte der Sprinter in den 1990er Jahren zu den erfolgreichsten Bahnfahrern der Welt. Nach der Wende feierte der Sachse drei WM-Titel im Keirin (1990 bis 1992), zwei im Sprint (1990 und 1992) und einen im Teamsprint (1995). Hinzu kommt ein WM-Titel als Amateur im Sprint (1986). Im letzten Jahr seiner Laufbahn gewann er im Teamsprint an der Seite seines engen Freundes Jens Fiedler WM-Silber und den deutschen Meistertitel.

Hübner beendete seine Karriere 1997. Bis 2022 fungierte der Chemnitzer als Sportlicher Leiter der Bahnrad-Mannschaft Theed Projekt Cycling (früher Team Erdgas), zu der Größen wie Kristina Vogel, Maximilian Levy, Lea Sophie Friedrich sowie sein Sohn Sascha Hübner gehörten. „Er ist eine Sprint-Legende. Er, Lutz Heßlich und Jens Fiedler waren die, die den Sprint in Deutschland groß gemacht haben“, sagte Olympiasiegerin Kristina Vogel nach Bekanntwerden des Todes von Hübner.

Ilke Wyludda (28.03.1969 – 01.12.2024):

Ihre frühere Trainingskollegin Silke Renk konnte den frühen Tod von Ilke Wyludda nicht fassen. „Ilke hatte schon früh nach ihrer Laufbahn mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Jedes Mal hat sie dabei in die Kacke gegriffen. Die ganze deutsche Werfergemeinde trauert. Sie war immer eine Kämpferin, hat aber ihren letzten Kampf leider viel zu früh verloren“, sagte Renk, nachdem die Diskuswurf-Olympiasiegerin von 1996 mit nur 55 Jahren verstorben war.

Die in Leipzig geborene Wyludda begann in jungen Jahren mit der Leichtathletik und holte bei den Junioren-Europameisterschaften 1985 den Titel im Diskuswerfen und Silber im Kugelstoßen. Später konzentrierte sie sich nur noch auf die Scheibe und bestimmte ab 1989 die Weltspitze mit. So holte sie 1990 und 1994 die EM-Titel, wurde 1991 und 1995 WM-Zweite.

Nach ihrer Karriere wurde die Diplom-Sportlehrerin für Therapie-Rehabilitation und Behindertensport Physiotherapeutin mit eigener Praxis, studierte später Medizin und arbeitete als Anästhesistin. Nach einer durch eine bakterielle Wundinfektion verursachten Amputation des rechten Unterschenkels 2010 begann sie mit dem paralympischen Sport, startete 2012 bei den Paralympics und wurde Fünfte im Kugelstoßen.