Über allem steht die Frage, ob die Todesfahrt in Magdeburg hätte verhindert werden können – und welche Schlüsse gezogen werden sollten. Die Polizeigewerkschaft macht Vorschläge.
Auch in Baden-Württemberg stellt sich nach dem tödlichen Anschlag in Magdeburg die Frage, ob die bisherigen Schutzmaßnahmen an Weihnachtsmärkten ausreichen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft dringt auf einen besseren technischen Schutz von Märkten und Festen. „Wer in den letzten Tagen Feuerwehrfahrzeuge oder andere Fahrzeuge zum erweiterten Schutz von Weihnachtsmärkten aufgestellt hat, muss nachbessern. Das gilt aber grundsätzlich. Nach dem Weihnachtsmarkt ist vor dem Weihnachtsmarkt“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der DPolG, Ralf Kusterer.
Polizeigewerkschaft fordert festverbaute Poller zum Schutz
Mobile Polleranlagen wie diese beim Weihnachtsmarkt in Stuttgart genutzt werden, seien eine gute Lösung. „Eine ideale Lösung sind festverbaute Poller, die man für Zulieferer und Rettungsdienste bei Bedarf öffnen kann“, sagte der DPolG-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg. In Friedrichshafen wurden einen Tag nach der Todesfahrt von Magdeburg fünf Feuerwehrfahrzeuge zur noch besseren Absicherung des Weihnachtsmarktes aufgestellt. Und zwar an Zufahrten, die sich technisch nicht komplett schließen ließen. Das ist laut Kusterer aber keine Lösung.
Für Diskussionen sorgt, dass der Tatverdächtige trotz Sicherheitsmaßnahmen mit seinem Wagen auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gelangen konnte. Über einen Flucht- und Rettungsweg war es ihm am frühen Freitagabend gelungen, seinen Wagen auf den Weihnachtsmarkt zu steuern.
In Baden-Württemberg fehlten 2700 Polizeibeamtinnen und -beamte, sagte Kusterer. „Wir können nicht überall stehen und schon gar nicht den Schutz bieten, den beispielsweise technische Anlagen bieten können. Die Betreiber müssen dringend den technischen Schutz ausweiten. Die Polizei muss sich vermehrt dem Innenschutz zuwenden. Dazu ist sie ausgestattet und ausgebildet.“
Kusterer: Videoüberwachung notwendig
Auch eine Videoüberwachung sei dringend geboten. „Es kann nicht sein, dass wir bei Vorfällen wie in Magdeburg auf private Handy-Filme angewiesen sind. Wir brauchen einen Wechsel vom Täter- zum Opferschutz. Hier muss auch die Politik handeln. Besuche der Tatorte alleine reichen nicht.“
Die DPolG kritisierte generell fehlende Konsequenzen und politische Maßnahmen nach Amoktaten. „Dabei gehe es auch um Videoüberwachung und gesetzliche Grundlagen der Vorratsdatenspeicherung. Aber auch um Rechtsanpassungen, um wirksam vorbeugend tätig werden zu können.“ Zu oft habe es die Polizei mit schuld- und deliktsunfähigen Menschen zu tun, die immer wieder auffielen, die Polizei aber aufgrund fehlender Rechtsgrundlagen nicht handeln könne.
Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sorgt sich um die Sicherheit der Weihnachtsmärkte. „Ich bin regelrecht erleichtert, dass unsere großen Veranstaltungen ohne jeden Zwischenfall zu Ende gegangen sind. Nach Straßburg, Berlin und Magdeburg kriecht die Angst in einem hoch. Es wird wohl ab kommendem Jahr nicht mehr ohne Absperrungen gehen. Ein Trost, dass unsere Altstadt einen mittelalterlichen Festungsring hatte. Es sollte uns gelingen, die Zufahrten ohne allzu großen Aufwand abzusperren“, schreibt er auf seiner Facebook-Seite. Auf die Frage, was genau er unter Absperrungen versteht, erwiderte Palmer: „Das müssen die Fachleute sich anschauen.“
Für die sichere und ordnungsgemäße Durchführung von Veranstaltungen trage grundsätzlich der jeweilige Veranstalter die organisatorische und fachliche Verantwortung, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart. „Gerade bei Großveranstaltungen kommt einem abgestimmten Sicherheitskonzept eine besondere Bedeutung zu. Deshalb berät die Polizei Veranstalter bei der Planung zu Sicherheitsfragen. In Baden-Württemberg schützen vielerorts bereits mobile Poller und stationäre Sperren Weihnachtsmärkte.“