DER KÖNIG DER LÖWEN: Warum der „Mufasa“-Regisseur den Film eigentlich gar nicht machen wollte

„Mufasa“ zeigt die Vorgeschichte des beliebten Film- und Musicalstoffs. Mit viel Herkunftsstolz und Prägungsüberbau – und einem Regisseur, der zunächst abgeneigt war.

Wie bändigt man zwei Jungs? Der Regisseur Barry Jenkins hat dafür Mitte der 90er-Jahre eine todsichere Methode entwickelt. Ab aufs Sofa, Fernseher an, Videokassette des Trickfilms „Der König der Löwen“ einlegen, Play.

„Das war der einzige Film, den sich die Kinder jedes Mal bis zum Ende angesehen haben“, erinnert Jenkins sich. In seiner Heimat Miami hatte er sich regelmäßig um die Söhne seiner alleinerziehenden Schwester gekümmert, wenn die arbeiten musste.

Eine Szene habe die Kinder damals besonders fasziniert, ein Ereignis, das, ähnlich wie der Tod von Bambis Mutter, eigentlich eher als Traumavorlage taugt: der Mord am Oberlöwen Mufasa, den Sohn Simba hautnah miterlebt. Junge Zuschauer hätten dabei zum ersten Mal kollektive Trauer gespürt, sagt Jenkins. Und die Möglichkeit, ihre Eltern verlieren zu können, verarbeitet. „Der Film war offenbar ein sicherer Weg für sie, sich mit diesen dunklen, aber sehr realen Emotionen auseinanderzusetzen.“

Knapp 30 Jahre später jettet Barry Jenkins um die Welt, um für seinen eigenen Beitrag zur Welt des „König der Löwen“ zu trommeln. „Mufasa“ ist Sequel und Prequel zugleich. In der Rahmenhandlung lässt sich die Löwenprinzessin Kiara, die Tochter von Simba, eine Geschichte aus der Jugend ihres Opas erzählen. In Rückblenden erfahren wir, wie sich dieser Mufasa auf den Thron gekämpft hat – und was hinter der Feindschaft mit dem späteren Königsmeuchler Scar steckt.

 „Mufasa“ als fotorealistische Animation

Wie schon die Neuverfilmung vor fünf Jahren entstand auch „Mufasa“ als fotorealistische Animation, die mit klassischem Zeichentrick nicht mehr viel gemein hat. Die Protagonisten wirken so echt, als könnte man sie streicheln, die Landschaften so echt, als seien sie wie in einem Open-World-Computerspiel zu durchwandern. Ähnlich verblüffend bleibt die Wahl von Jenkins als Regisseur für die Fortsetzung eines Massenphänomens, das vielen Kinos die Jahresbilanz retten soll und wohl auch wird.

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Der Vorgänger von 2019 ist mit einem weltweiten Einspielergebnis von fast 1,7 Milliarden US-Dollar der zehnterfolgreichste Film aller Zeiten. Jenkins dagegen hat in einem Kino gejobbt, um sich sein erstes Auto leisten zu können. Er ging danach zur Filmschule, drehte kurze Kunststücke über junge Schwarze. Der Durchbruch kam erst mit dem poetischen Selbstfindungsdrama „Moonlight“, das 2017 drei Oscars gewann.

Barry Jenkins wollte den Film erst nicht machen

Er habe den Produzenten von Disney mehrmals abgesagt, gesteht Jenkins, während er in einem Edelkino auf dem Berliner Kurfürstendamm erste Ausschnitte zeigen darf. Weil er sich überfordert fühlte von der revolutionären Digitaltechnik, bei der alles denkbar und darstellbar ist, für die man aber weder nach Afrika reisen noch lebendige Tiere vor eine Kamera zerren muss.

Den Job angenommen hat er am Ende einzig und allein, weil er sein vertrautes Team mitbringen durfte: Produktionsdesigner, Kameramann, Cutter. „Ich wollte das nur machen, wenn ich meine eigene Stimme einbringen konnte“, sagt Jenkins. „Also lernten wir schnell alles über die seltsame Technik und begannen zur gleichen Zeit, sie nach unserem Willen zu verbiegen.“

Auch inhaltlich lernte Jenkins bei den Dreharbeiten, die hauptsächlich im Studio und in einer eigens dafür programmierten virtuellen Realität stattfanden, ständig dazu. „Ich war vorher davon ausgegangen, dass Mufasa einfach perfekt war“, sagt er. „Ich akzeptierte die traditionellen Vorstellungen, wie man König wird, wie Monarchie funktioniert. Scar war dabei nur dieser ‚nasty ass dude‘, die fiese Arschgeige.“

Prägt Erziehung mehr als die Herkunft?

Dabei gehe es im Hintergrund um die Frage, ob einen gute Erziehung mehr prägt als Herkunft und natürliche Lebensumstände. Ein Thema, dass Jenkins schon bei „Moonlight“ und anderen Projekten wie der Serie „The Underground Railroad“ beschäftigt hat. Würde man die Story auf den Kopf stellen, sagt Jenkins, „wäre Mufasa vielleicht derjenige, der Scar über den Rand der Schlucht hält und ihn loslässt“.

„Mufasa“ ist kein afrikanischer Film – aber einer der wenigen Blockbuster, die komplett in Afrika spielen. „Viele Kinder kommen dadurch zum ersten Mal mit dieser Kultur in Berührung“, sagt Jenkins. „Als schwarzer Regisseur war das dann doch eine große Verantwortung für mich.“

Waren die Vorläufer hauptsächlich in Kenia angesiedelt, wird der junge Mufasa diesmal von einer Springflut weggeschwemmt und wandert von Südafrika über Botsuana und den Kongo zurück in die Heimat. Zudem heuerte Jenkins bewusst Sprecher und Sänger an, die aus Afrika stammen und ihre Muttersprachen wie Suaheli oder Zulu nutzen durften.

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Eine dieser Stimmen ist besonders spektakulär, zumindest in der Originalfassung. Für die Rolle der Prinzessin Kiara hat Jenkins das ehemals berühmteste Baby der Welt engagiert: Blue Ivy, Tochter von Beyoncé und Jay-Z. Bei der Premiere sorgte die mittlerweile Zwölfjährige mit einem tief ausgeschnittenen Goldkleid für Getuschel.

„Ihre Leistung ist absolut großartig“, schwärmt Jenkins. Sie besitze eine gewisse Naivität – und wirke zugleich weise und reif. „Vielleicht sollte ich sie mal in einem meiner anderen Filme besetzen.“ Gut gebrüllt, Herr Regisseur.