Kolumne: Es geht ums Geld: Erbschaftssteuer: Hört auf die Abschaffung zu fordern, ihr müsst eh keine zahlen

Die Hälfte der Deutschen will die Erbschaftssteuer abschaffen. Dahinter steckt oft die Angst ums eigene Erbe. Doch es gibt bessere Maßnahmen, um es zu schützen.

Erben Sie demnächst eine Million Euro? Vermutlich nicht. Ich übrigens auch nicht. Überhaupt wird nur knapp die Hälfte der Deutschen im Laufe des Lebens jemals zum Erben. Und wenn, dann liegt die geerbte Summe im Mittel bei 52.300 Euro. Das heißt: Die eine Hälfte der Erben bekommt weniger als diesen Betrag, die andere Hälfte mehr, so sagen Zahlen von Einkommensforschern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die sagen auch: Die Hälfte aller Erbschaften geht an die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung. Kein Grund also, sich selbst Sorgen um die Besteuerung von Erbschaften zu machen – sollte man meinen.

Dennoch wird schon seit Jahren immer wieder um die Erbschaftssteuern gestritten. Auch im Wahlkampf werden sie jetzt wieder ein Thema sein. Denn im Grunde sind sich alle Parteien einig, dass die Erbschaftssteuer reformiert werden muss. Einige wollen sie erhöhen, wie die SPD. Andere fordern höhere Freibeträge, wie Grüne und FDP. Die Union will das Eigenheim ausnehmen. Und die AfD will die Steuer ganz abschaffen. Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des Deutschen Forums für Erbrecht befeuert nun noch die Debatte, denn laut Meinungsforschern sagt etwas mehr als die Hälfte der Bundesbürger: Die Erbschaftssteuer gehört abgeschafft. 

Woher kommt diese Angst vor der Steuerlast, wo doch die vererbten Beträge so niedrig sind und es zudem Freibeträge gibt? Der Grund ist: Es existiert ein Betroffenheitsparadoxon beim Thema Erben.  

Obwohl nur sehr wenige Bürger überhaupt eine Erbschaft erwarten, die besteuerungswürdig wäre, fühlen sich unglaublich viele Menschen von der Steuer bedroht. Daher würden sie lieber die Abgabe ganz aus der Welt räumen, als zu riskieren, womöglich selbst Steuern aufs Erbe zahlen zu müssen. Obwohl selbst die Reformansätze derzeit in die Richtung gehen, dass die Freibeträge so weit erhöht werden könnten, dass Nachlässe überhaupt erst ab einer Million Euro aufwärts besteuert würden. Das dürfte für beinahe alle Erben hierzulande reichen, um steuerfrei zu bleiben. Woher also kommt die Angst? 

Erbschaftssteuer auf die Immobilie

Es sind zwei Gedanken, die viele Menschen umtreiben: Knapp jeder zweite Haushalt hierzulande besitzt eine Immobilie. Ein selbstbewohntes Einfamilienhaus zumeist, das früher oder später von der älteren Generation an die nächste übergeben werden soll. Nun sind aber die Haus- und Wohnungspreise seit 2010 so stark gestiegen, dass viele Senioren und deren Kinder fürchten, dass die Übernahme nicht ohne hohe Steuerzahlungen zu machen sein wird. Was häufig nicht stimmt, aber dazu später. Die Besteuerung des Familienheims jedenfalls empfänden viele Betroffene als einen Eingriff in ihre Familienautonomie. 

Micky Beisenherz Heft Erben 16.40

Hier greift nämlich der zweite Gedanke: Viele sehen die Besteuerung von Erbschaften als Doppelbesteuerung an. Das Vermögen wurde ja schließlich aus bereits versteuertem Einkommen aufgebaut. Wenn der Staat dann bei der Übergabe noch einmal die Hand aufhält, bittet er alle, die sich dennoch mühsam Besitz aufgebaut haben, doppelt zur Kasse, so lautet die landläufige Meinung. Dass das aus steuertechnischer Sicht so nicht stimmt, weil hier zwei verschiedene Personen besteuert werden – einmal der Vermögensaufbauende und einmal der Übernehmer – , das tritt aus Normalbürgersicht in den Hintergrund. Für sie ist der gemeinsame Familienbesitz das maßgebliche Kriterium, und nicht die Frage, wem diesen Besitz aktuell gehört. 

Das ist alles sehr verständlich, man muss aber auch wissen: Bereits mit den geltenden Freibeträgen können Kinder 400.000 Euro steuerfrei übernehmen, Ehepartner sogar 500.000 Euro. Enkel noch einmal 200.000 Euro, pro Kopf. Wenn also in einer Familie ein Elternteil stirbt und es zwei Kinder gibt, dann bleibt das Familienheim bis zum Wert von 1,3 Millionen Euro steuerfrei, wenn alle drei begünstigt sind. Ok, sie bilden dann eine Erbengemeinschaft und müssten sich einig sein, was mit dem Haus passieren soll. Das ist meist die größere Hürde.  

Tricks für das Haus-Erbe

Ist der Hauswert höher, würde nur der Betrag jenseits der 1,3 Millionen Euro besteuert. Bei 1,6 Millionen Euro Immobilienwert wären also elf Prozent Steuern auf die überzähligen 300.000 Euro zu zahlen. Das sind 33.000 Euro. Doch selbst die lassen sich umgehen: 

Das teure Haus könnte selbst ein Einzelerbe steuerfrei bekommen, vorausgesetzt es hat maximal 200 Quadratmeter Wohnfläche – er müsste dafür nur selbst dort einziehen. Und für mindestens zehn Jahre darin wohnen. Die Übergabe des Familienheims an Selbstnutzer ist nämlich bereits jetzt steuerfrei möglich, auch weit jenseits der Freibeträge. Wobei wohl fast alle begrüßen würden, wenn diese Freigrenzen angesichts der verdoppelten Immobilienpreise tatsächlich angehoben würden. 

Pro & Contra: Boomer, die im Alter das Erbe ihrer Kinder verjubeln – ist das richtig so? 15:13

Probleme haben derzeit vor allem Familien, bei denen sehr teure Immobilien in jenen Städten stehen, in denen die Kinder nicht leben wollen. Diese Erben zahlen dann Steuern, wenn sie das Haus verkaufen oder vermieten. Probleme haben auch unverheiratete Paare und Kinderlose, weil für Nicht-Ehepartner und alle anderen nachrangigen Erben nur der mickrige Freibetrag von 20.000 Euro gilt. Sowie grundsätzlich alle, die kein Testament gemacht haben – das sind rund Zweidrittel der Erwachsenen in diesem Land. Beim Notar nämlich ließe sich bereits rechtzeitig klären, wie größere Erbschaften später aufgeteilt werden sollen. Und in den allermeisten Fällen gäbe es Wege, die Freibeträge clever auszuschöpfen. Auch durch frühzeitige Schenkungen. 

Ungleiche Erbschaften verschärfen Vermögensungleichheit

Das wahre Erbschaftsproblem aber steckt in folgenden Zahlen: Laut Statistik besitzen die „unteren“ 40 Prozent der Bundesbürger hierzulande gar kein Vermögen oder sogar Schulden. Die „mittleren 40 Prozent“, also die Angehörigen der Mittelschicht, verfügen über rund 40 Prozent der Werte in diesem Land. Das klingt ordentlich, aber: Die „obersten“ zehn Prozent der Reichsten halten die restlichen 60 Prozent des Gesamtvermögens. Vor allem in Form von Unternehmensbeteiligungen. Und im Gegensatz zu Immobilienvermögen wird das immense Betriebsvermögen häufig an Nachfolgegenerationen übertragen, ohne dass die Beteiligten darauf Steuern zahlen. Immer häufiger übrigens an Minderjährige, stellt das DIW fest. 

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Bisher gilt: Ab einem zweistelligen Millionenvermögen zahlen Erben in aller Regel gar keine Steuern oder winzige einstellige Sätze. Während Normalbürger auf Mittelstandserbschaften im Schnitt knapp zehn Prozent abdrücken, schlüsselt das Netzwerk Steuergerechtigkeit auf. In Summe führt das dazu, dass sich die Vermögensungleichheit noch verschärft. Weil sich große Vermögen am obersten Ende der Gesellschaftspyramide über Generationen zusammenklumpen. Während der Mittelbau – wenn’s blöd läuft – Steuern zahlt und die untere Hälfte gar nichts von alledem hat.  

Das zeigt: Die Erbschaftssteuer ist dringend reformbedürftig. Wer Angst ums eigene Erbe hat, sollte besser nicht die Abschaffung der Erbschaftssteuer fordern, sondern vier Dinge aktiv tun: 1. Testament erstellen. 2. Häuser an diejenigen übertragen, die darin wohnen wollen. 3. Enkel bedenken. 4. Und vielleicht doch mal heiraten.