Gegen Obdachlosigkeit: Berliner Straßenkinder finden bald eine neue Zuflucht

Der Verein Straßenkinder hat über 20 Millionen Euro für den Bau eines einmaligen Hauses gesammelt – darunter auch Spenden der Stiftung stern. Im Frühjahr 2026 wird „die Butze“ eröffnet.  

„Wie eine Krone auf dem Haus, wird der Richtkranz aufgebaut. Dank Fleiß und Mühe, Stein und Holz, steht hier unser ganzer Stolz. Was Menschenhände hier bewegen, braucht doch immer Gottes Segen. Wir bitten deshalb für dieses Haus, schütze alle, die gehen ein und aus. Das Haus soll schenken Glück und Mut, die Mauern schützen sie vor jeder Flut und jedem Sturm und jeder Widrigkeit, heute und auch morgen, bis in alle Zeit.“ 

Eckhard Baumann, Vorsitzender Straßenkinder e.V.
© Thomas Ecke

Dieser Spruch zum Richtfest passt auf den Rohbau aus Beton in der Wönnichstraße in Sichtweite des Bahnhofs Lichtenberg wie wohl sonst kaum. Die jungen Menschen, die ab März 2026 hier eine Unterkunft finden sollen, brauchen Schutz vor Stürmen und Widrigkeiten mehr als die meisten – denn sie leben auf der Straße. Eckhard Baumann vom Verein Straßenkinder ist der Bauherr, er kämpft seit mehr als 30 Jahren für Kinder und Jugendliche, die kein Zuhause mehr haben. Wie viele es sind, weiß keiner ganz genau. In Berlin allein sind es mindestens 6500 Jugendliche, andere Schätzungen gehen davon aus, dass 147.000 Mädchen und Jungen wohnungslos sind. „Die Dunkelziffer ist groß. Es fehlt an Wärmestuben und bezahlbarem Wohnraum“, sagt Baumann. Sein Verein holt jedes Jahr 50 bis 60 obdachlose junge Menschen von der Straße. Nur rund 50 Meter entfernt, unter der Brücke, die neben der Schnellstraße unter den Bahngleisen durchführt, lässt sich im Novembergrau das Elend beobachten, hier liegen auch mittags Menschen eingehüllt in Schlafsäcken und Decken auf dem Boden. 

Spatenstich    20.00

Ein Heim für Straßenkinder

Bisher können jugendliche Obdachlose im Büro beim Verein Staßenkinder in der Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain frische Klamotten bekommen und ihr Handy aufladen. Doch das reicht Baumann nicht, mit der „Butze will er die bisherige Arbeit bündeln und erweitern, um den Kindern und Jugendlichen einen Weg in die Gesellschaft zu ebnen. Das Konzept ist bundesweit einmalig: Auf insgesamt 3.650 m2 wird es eine Wärmestube, eine Großküche, Büros für Sozial- und Rechtsberatung, Bildungsräume für Berufsfindungsmaßnahmen, eine Kleiderkammer und eine Basisstation für Streetwork geben. Es sollen nicht nur Notunterkünfte für eine Nacht eingerichtet werden, sondern auch 13 sogenannte Micro-Apartments. Dort können dann in Zukunft junge Obdachlose das Wohnen wieder lernen. Denn wer einmal auf der Straße gelebt hat, verlernt buchstäblich morgens aufzustehen, sich die Zähne zu putzen oder Termine einzuhalten. Für die 18-jährige Mary, die auf der Straße lebt, ist es vor allem wichtig, dass sie dann in Zukunft immer einen Ansprechpartner finden wird, auch abends. Denn in der „Butze“ sollen rund um die Uhr Sozialarbeiter da sein. Sie ist als Anlaufstelle für 14- bis 23-Jährige geplant. Mit Erreichen des 18. Lebensjahres endet für viele die Jugendhilfe, die Jugendlichen sind dann auf sich gestellt. Wenn keine Anschlusshilfen beantragt sind, rutschen viele erneut in die Obdachlosigkeit. 

Zum Richtfest haben die Straßenkinder ihre Wünsche an den Richtkranz gehängt: Sie wünschen sich einen „sicheren Ort“
© Thomas Ecke

Für den Bau hat Baumann bisher 20,5 Millionen Euro gesammelt, darunter auch Spenden der Stiftung stern, die den Verein seit Jahren unterstützt. Ein Großspender ist Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann und Vorsitzender der Geschäftsführung von RTL Deutschland, wozu auch der stern gehört. Benötigt werden 21,3 Millionen Euro.

Noch fegt der Wind durch die Fensterhöhlen über den kahlen Betonboden, aber in den nächsten Monaten beginnt der Innenausbau. Begleitet von den guten Wünschen auf dem Kranz, der am Eingang über der zukünftigen Schwelle hängt. Die Jugendlichen haben ihre Wünsche auf bunte Bänder geschrieben: „Sicherheit“, „Zurück zur Arbeit“ und „keine Benachteiligung“.  

Teaser Stiftung