Als TV-Ermittler in „München Mord“ wurde Marcus Mittermeier berühmt. Ein Gespräch über sein Debüt als Drehbuchautor, sein Leben als Vater und eine Falschmeldung und ihre Folgen.
Seit 2014 spielt Marcus Mittermeier den Ermittler Harald Neuhauser in der schräg-charmanten Krimiserie „München Mord“. Für die 19. Folge mit dem Titel „Die indische Methode“ (läuft am Samstag, 14. Dezember, um 20.15 Uhr im ZDF) hat er das Drehbuch geschrieben.
Mit dem stern hat der 55-Jährige über die (Ohn-)Macht des Drehbuchautors, sein Leben als Familienvater und eine Falschmeldung und ihre Folgen gesprochen.
Wer hat die meiste Macht über einen Film – der Regisseur, der Schauspieler oder der Drehbuchautor?
Auf gar keinen Fall der Schauspieler. Außer, ein Film ist auf eine einzige Person zugeschnitten, die alles trägt. In der Regel hat der Regisseur die meiste Macht. Der Autor erfindet die Geschichte zwar, muss sie dann aber letztlich in Form eines Stapels Papier aus seinen Händen geben. Und darauf vertrauen, dass sie in seinem Sinne vollendet wird.
Fühlt man sich als Drehbuchautor nicht ein bisschen wie Gott? Man kann Menschen nach Belieben leiden und sterben lassen oder retten und erlösen.
Die Lust am Erschaffen ist schon einzigartig. Man sitzt zu Hause am Schreibtisch und denkt sich Figuren und deren Schicksal aus. Dann steht man am Set und plötzlich haben diese Figuren ein Gesicht – und zwar auch noch das von so herausragenden Schauspielern wie Thomas Schmauser und Christian Erdmann. Das war eine wahnsinnige Befriedigung.
Seit 2014 spielen Sie in „München Mord“ den Ermittler Harald Neuhauser. Gemeinsam im Team mit Ludwig Schaller und Angelika Fierl, gespielt von Alexander Held und Bernadette Heerwagen. Woher kam der Wunsch, auch einmal ein Drehbuch dafür zu schreiben?
Ich hatte gar nicht den Wunsch, sondern diese Idee. Meine Frau hatte mir vor Jahren schon den Auftrag gegeben, den Garten umzugraben. Ich fand das öde und habe es nur ausgehalten, weil ich anfing, mir währenddessen eine Geschichte auszudenken. Ich wollte unserem Format nochmal einen anderen Schubs geben. So kam der Gedanke, den Schaller mal eine ganz neue Methode ausprobieren zu lassen.
Wie war das für Ihre Kollegen, dass Sie plötzlich jetzt nicht nur noch ein Mitspieler waren, sondern sie quasi nach Ihrer Nase tanzen mussten?
Es ging mir beim Schreiben gar nicht so sehr um mich oder meine Figur. Ich wollte mich vor unserem Projekt verneigen. Ich liebe es sehr, diese drei Ermittler, die eigentlich Loser sind, ohne Waffen ermitteln müssen, vergessen im Keller. Und an den Reaktionen der Zuschauer sehe ich: Viele lieben sie auch.
War es umgekehrt schwierig, dass die Kollegen dann vielleicht Dinge anders gespielt haben, als Sie sie sich ausgedacht hatten?
Nein, denn es lief ja nicht so, dass ich das Drehbuch fertig auf den Tisch geknallt habe. Ich habe das von Anfang an mit dem Produzenten und den Kollegen besprochen. „Die Indische Methode“ ist auch eine Geschichte über Zusammenhalt. Und diesen Zusammenhalt unter uns Kollegen wollte ich auch nicht gefährden.
Ein Film oder eine Serie ist wie ein Baby, das man geschützt aufwachsen lassen muss.
Wenn man so lange miteinander spielt, wie verändert das die Beziehung? Entsteht da Freundschaft? Oder nervt man sich auch mal?
Wir kommen alle drei gut miteinander aus, freuen uns jedes Mal aufeinander. Wir erleben beim Dreh immer eine sehr intensive Zeit, sehen uns täglich, gehen aber jenseits der Dreharbeiten eher getrennte Wege. Aber wir sind uns alle bewusst, dass wir eine Verantwortung für das Projekt haben, es schützen müssen.
In der Folge „Die indische Methode“ von „München Mord“ wird ungewöhnlich ermittelt.
© ZDF
Wie meinen Sie das?
Ein Film oder eine Serie ist wie ein Baby und man hat die Aufgabe, es geschützt aufwachsen, sich entwickeln zu lassen. Das bedeutet, dass sich alle Beteiligten am Set vernünftig aufführen und Streitereien im Rahmen bleiben sollten. Das ist eine Frage der Disziplin. Gerade bei solchen Reihen ist das besonders wichtig.
Manchmal entsteht ein magisches Flirren.
Ohne zu spoilern: Die „indische Methode“ ist eine sehr spirituelle oder auch esoterische Art des Ermittelns, mit der ein vertrackter Mordfall aufgelöst werden soll. Sie wollten als Kind mal Pfarrer werden: Glauben Sie an Dinge zwischen Himmel und Erde?
Ich war schon mal esoterischer. Aber ich glaube tatsächlich, dass wir in einem Kosmos leben, in dem sich Energien auf eine Weise austauschen und übertragen, die man nicht sehen oder rational erklären kann. Je konzentrierter und zugewandter wir sind, umso besser ist das Ergebnis. Manchmal, wenn man seine ganze Energie in eine besonders schwere Szene gibt, entsteht ein magisches Flirren, das sich auf alle überträgt. Andersrum überträgt es sich oft auf alle, wenn einer mal nicht so gut drauf ist. Dann verschwenkt sich auch der Kameramann und der Tonmann hängt aus Versehen die Angel ins Bild.
Als Kind wollte er Pfarrer werden
Wie viel Pfarrer steckt noch in Marcus Mittermeier?
Dieser Wunsch entstand bei mir als Kind aus meiner katholischen Erziehung heraus. Es ging aber weniger ums Predigen als um die Performance, die mich faszinierte. Deshalb fing ich auch an, Gottesdienste zu Hause nachzuspielen, die eine strenge Liturgie hatten, der alle folgen mussten. Auch hier geht es ja darum, eine Energie zu entwickeln, die eine knappe Stunde lang von allen mitgetragen wird. Schon sehr faszinierend.
Sie haben auch zweimal einen Ausflug in die Regie unternommen, beide Male waren es zwei rabenschwarze Satiren. Wie viel Revoluzzer steckt denn noch in Ihnen?
Mein erster Film als Regisseur, „Muxmäuschenstill“, ist jetzt genau 20 Jahre her. Seither hat sich wahnsinnig viel geändert, vor allem familiär. Ich hatte damals das Gefühl, ohne Beschränkung und ohne konkrete künstlerische Verantwortung mich austoben zu können. Diese Freiheit hat sich auf den Film übertragen. Inzwischen, mit Familie und Kindern hat sich natürlich viel verändert. Mein Leben ist ein anderes geworden. Als Familienvater hat man klare Aufgaben und eine andere Verantwortung. Ich sehe das sehr positiv und alles hat seine Zeit. Aber jetzt sind die Kinder erwachsen, brauchen meine Obhut nicht mehr. Insofern könnte ich mir das durchaus nochmal vorstellen.
Für den zweiten Film haben Sie mit Ihrem Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg Guerilla-Marketing betrieben und einen Terroranschlag in einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt vorgetäuscht. Stahlberg hat sich bei deutschen Medien gemeldet und behauptet, er befände sich als Augenzeuge vor Ort. Stattdessen saß er in einer Wohnung in Berlin. Die DPA und andere Medien fielen darauf rein. Wie schauen Sie heute auf diese Fakenews-Aktion, mit der Sie Ihrer Zeit ja ein bisschen voraus waren?
Das stimmt. Die Idee war, mit dieser ausschließlich im Internet inszenierten Aktion die Sensationsgier der Medien auf die Schippe zu nehmen. Aber das ist nicht aufgegangen. Die Stimmung kippte schnell gegen uns, als herauskam, dass das alles eine Fälschung war. Für den Film hat sich dann niemand mehr interessiert. Im Gegensatz zu meinem ersten Film lief er nicht sehr gut.
Die Bluewater-Affäre Medienblamage (1508223)
Damals haben Sie gesagt: Ich habe das jetzt ausprobiert, aber mein Ding ist doch eher die Schauspielerei. Gilt das auch für das Drehbuchschreiben?
Ich fand es sehr anstrengend, aber auch wahnsinnig befriedigend. Deshalb würde ich nicht „nein“ sagen. Aber in erster Linie bin ich Schauspieler und möchte auch Schauspieler bleiben.
Das nervt Marcus Mittermeier an seiner TV-Figur
Was mögen Sie an Ihrer „München Mord“-Figur Harald Neuhauser? Und wo geht er Ihnen manchmal auf den Keks?
Ich mag, dass er seinen Beruf so privat angeht. Er ist ein dekonstruierter TV-Kommissar, weil er nicht so steif in seiner Rolle, sondern verspielt und oft leicht abgelenkt ist. Er ist ein bisschen, wie jeder von uns. Was mir auf den Keks geht? Ich finde, er könnte ein bisschen erwachsener werden.
Alle sprechen über den „Tatort“. Nervt das manchmal oder ist es gut, in einem eigenen Krimiformat unterwegs zu sein?
Also, ich finde den „Tatort“ ja auch spannend! Das ist eine großartige Institution für uns als Nation, weil er eines der letzten Lagerfeuer ist, an dem sich fast alle versammeln und am nächsten Tag darüber sprechen. „München Mord“ ist da eher der bunte Hund, der durch die Krimilandschaft streunt. Darüber freue ich mich und bin null neidisch.