Der Tourismus boomt. Millionen Menschen fliegen jährlich in den Urlaub, die Reiseziele werden immer exotischer. Wissenschaftler sind alarmiert und fordern drastische Maßnahmen.
Nach der Reiseflaute während der Corona-Pandemie hat sich die Tourismusbranche wieder erholt. Branchenvertreter rechnen damit, dass die Menschen in diesem Jahr wieder so viel verreist sind wie vor 2020. Gute Nachrichten für den Tourismus – schlechte Nachrichten für das Klima: Denn mit wachsender Reiselust steigen auch die Emissionen. Welche Länder am meisten beitragen, hat ein Forscherteam der australischen University of Queensland untersucht.
Dafür analysierten die Wissenschaftler das Reiseverhalten von Menschen aus 175 Ländern in den Jahren zwischen 2009 und 2019 und stellten fest: 20 Länder verursachen die meisten Reiseemissionen, allen voran die USA, China und Indien. Laut der Studie, die im Fachblatt „Nature“ erschien, verursacht der globale Tourismus mit 5,2 Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen pro Jahr mittlerweile fast neun Prozent der weltweiten Emissionen; im Schnitt ein Plus von jährlich 3,5 Gigatonnen. Die Studienautoren kritisieren, dass die Reisebranche zu wenig unternommen habe, um die Emissionen zu senken.Outthere Segeltrampen nach Südamerika: die ungewöhnliche Reise zweier Schwestern
Eigentlich hat sich der Zweig dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Das UN-Umweltprogramm und die Welttourismusorganisation UN Tourism arbeiten daran, dass die Branche ihre Emissionen bis 2030 halbiert. Doch laut der Studie geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung: Die Emissionen stiegen im letzten Jahrzehnt doppelt so schnell wie die der gesamten Weltwirtschaft. „Wenn die gleiche Wachstumsrate in den kommenden Jahren beibehalten wird, dürften sich die touristischen Emissionen alle 20 Jahre verdoppeln“, lautet die Prognose der Wissenschaftler.
Flüge verursachen die größten Klimaschäden
Befeuert wird dieser Trend durch die wachsende Bevölkerung: Je mehr Menschen auf dem Planeten leben, desto höher auch die Zahl der Reisenden. Damit steigt auch der Konsum. Statt auf öffentliche Verkehrsmittel setzen Urlauber vor allem auf private Fahrzeuge mit fossilen Brennstoffen. Das mit Abstand schädlichste Transportmittel für Reisen bleibt das Flugzeug. 52 Prozent der Emissionen in der Reisebranche werden durch Flüge verursacht. Danach folgt der Straßenverkehr mit knapp 20 Prozent der Emissionen.
Zwar arbeiten Airlines mit Universitäten und der Industrie inzwischen an neuen „Aviation Fuels“, also klimafreundlichen Kraftstoffen. Zudem ist der Energieverbrauch effizienter geworden. Doch der Konsum der Reisenden übersteigt die positiven Entwicklungen, heißt es in der Studie.Mobilitätswende in der Luft 10.33
Am stärksten tragen demnach reisefreudige US-Amerikaner, Chinesen und Inder zum Emissionsausstoß bei. Grund dafür sind vor allem die hohen Bevölkerungszahlen. Den Berechnungen zufolge verursachen diese Länder ein Drittel der Treibhausgase bei den Reisen. Je nachdem, ob der Auslands- oder Inlandstourismus betrachtet wird, sind die Länder unterschiedlich stark für die touristischen Emissionen verantwortlich. Deutschland rangiert unter den Top-20-Reiseemittenten, ebenso Japan, das Vereinigte Königreich, Mexiko, Russland, Kanada, Frankreich, die Philippinen oder Saudi-Arabien.
Radikale Trendwende in der Reisebranche nötig
Insgesamt stellten die Forscher fest, dass die Reiseemissionen auch vom Wohlstand der Länder abhängen. Je reicher, desto eher können sich Menschen Urlaube leisten und desto höher ist auch ihr Treibhausgasausstoß. Länder mit niedrigem Einkommen tragen deutlich weniger bei, allerdings steigt auch dort die Reiselust. Zumindest deutet der Anstieg der Reiseemissionen darauf hin: Laut Studie stiegen sie in dem untersuchten Zeitraum um knapp 40 Prozent. Dass auch Länder im Nahen Osten, darunter Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ebenfalls zu den 20 Ländern mit den höchsten Touristenemissionen zählen, liegt laut der Studie vor allem an ausländischen Touristen, die dort Urlaub machen.Peirano Dezember 2 20.15
Die Wissenschaftler fordern eine radikale Kehrtwende in der Reisebranche. „Unsere Ergebnisse liefern konkrete Beweise dafür, dass die Konzentration auf Technologie- und Effizienzgewinne allein nicht ausreicht, um Netto-Null-Etappenziele zu erreichen“, lautet das Fazit der Untersuchung. Die Corona-Pandemie sei das einzige Ereignis gewesen, das den Fußabdruck der Touristen radikal gesenkt habe.
Um Ähnliches erneut zu erreichen, müsste die Nachfrage beim Verkehr deutlich sinken – vor allem in Ländern mit hohen Emissionen und bei Langstreckenflügen. Zudem plädieren die Wissenschaftler für Schwellenwerte, um das Reiseaufkommen zu limitieren. Sie fordern auch, die Emissionsminderungen fair aufzuteilen. In Anlehnung an die Vorschläge des Klimarats (IPCC) sollten die historischen und gesammelten Emissionen des Tourismus berücksichtigt werden. Zudem gelte es, die technischen Möglichkeiten bei der Reduktion sowie die Verantwortung bei der Unterstützung einkommensschwacher Inselstaaten zu berücksichtigen.