Bären, Pinguine, Einhörner: Die bunten Tierstifte von Legami sind bei Kindern ein Renner. Dafür geben viele ihr ganzes Taschengeld aus, zum Leidwesen von Eltern und Lehrern.
Vor einem Schreibwaren-Regal stehen zwei Mädchen, beide kaum älter als zehn. Sie machen lange Gesichter. „Den Weihnachtsstift gibt es hier nicht“, sagt die eine und wühlt vorsichtshalber noch einmal tief in der Kiste, in der bunt gemusterte Stifte liegen. Einige sind grün mit Drachenkopf, blau mit Haiflossen oder schwarzweiß wie bei einem Pandabären. „Die habe ich alle schon“, grummelt das Mädchen leise. Ihr Favorit, ein Rentier-Stift mit Tannenbäumen, ist nicht dabei.
„Die Weihnachtsedition ist leider schon vergriffen“, sagt die Verkäuferin in einer Hamburger Buchhandlung, die auf die beiden Kinder aufmerksam geworden ist. In der Adventszeit kommt ihr der Satz häufig über die Lippen. Nicht nur gegenüber Eltern, die mit den Stiften die Weihnachtskalender ihrer Kinder bestücken wollen, sondern auch gegenüber Schülern, die den neusten Modellen hinterherjagen. Denn kaum etwas ist derzeit so angesagt wie die bunten Stifte von Legami.
Legami-Stifte werden wie Raritäten gehandelt
Eltern, Omas, Onkel und Patentanten ist die Marke aus Mailand längst ein Begriff: Sie steht für Fineliner zum Wegradieren, die mit bunten Tier- oder Comicfiguren dekoriert sind. Sie werden gesammelt, getauscht und wie Schätze gehortet. Zwar ist der Produktkatalog so umfangreich wie ein dickes Telefonbuch, doch ist die Firma vor allem für die Stifte bekannt, die es einzeln oder zu besonderen Anlässen im Dreier-Set gibt. Schon im Herbst war die Halloween-Edition nach kurzer Zeit vergriffen. Auch der Adventskalender verkaufte sich innerhalb weniger Tage restlos. Ursprünglich kostete er 46 Euro, doch wird er längst bei Ebay zu Spitzenpreisen gehandelt. Dass er zwar Radiergummis und Textmarker enthält, aber nur einen einzigen der begehrten Gelstifte, ist Sammlern und verzweifelten Eltern egal. Sie blättern auch Mitte Dezember noch 190 Euro dafür hin. Hauptsache, ihre Legami-verrückten Kinder geben endlich Ruhe! IV Marlene Hellene Muttergefühle 20.00
Warum sorgen ausgerechnet Plastikstifte mit lustigen Tierkappen, die weder glitzern noch Laute von sich geben, für eine solche Hysterie? „Die Stifte sind niedlich, aber nicht kitschig“, sagt Manja Milberg, Inhaberin des Hamburger Schreibwarengeschäfts Otto F. K. Koch. Seit 2022 gehören die Legami-Stifte zu ihrem Sortiment und die Nachfrage ebbt nicht ab. Da man die Tinte wegradieren und immer neue Minen kaufen könne, seien die Gel-Schreiber sehr beliebt. Das habe sich bereits vor einigen Jahren abgezeichnet, als Stifte von Frixion auf den Markt kamen. Auch sie konnten mit der durchs Rubbeln erzeugten Wärme die Schrift verschwinden lassen. Doch ein Hype wie bei Legami gelang der Marke nie.
Zwar gibt es das italienische Unternehmen bereits seit 2003, doch vor allem durch die Tier- und Mottostifte wuchs der Umsatz. In seinem Heimatland betreibt Legami etwa 100 eigene Shops, in 70 Ländern ist die Marke in Buchhandlungen und Schreibwarenläden vertreten. Seit Kurzem gibt es sie auch in den USA. Der Unternehmensbericht auf der Homepage von Legami zeigt, wie erfolgreich man in den vergangenen Jahren war. Seit der Firmengründung stieg der Umsatz rasant an. 2022 etwa lag er noch bei 76 Millionen Euro, 2023 bereits bei 143 Millionen Euro.
Für die Stifte opfern Kinder ihr Taschengeld
Dass die Stifte heute oft in Kassennähe stehen, erinnert an Quengelzonen aus dem Supermarkt. Da sie nur etwa zwei Euro kosten, sind sie wie Mitnehmartikel. Eltern kaufen sie ihren Kindern auch hin und wieder ohne Anlass, wenn die Kinder lange genug betteln. Der Preis von 1,95 Euro ist zudem so erschwinglich, dass sich Mädchen und Jungen die Stifte auch von ihrem Taschengeld leisten können. Schwierig wird es nur dann, wenn der Druck steigt, alle 30 Modelle zu besitzen. Dann wird das Tier-Schnäppchen schnell zur Mobbingfalle. Denn nicht jede Familie kann es sich leisten, die Mäppchen der Kinder mit Tierstiften von Affe bis Zebra zu bestücken.
Doch so erfolgreich und beliebt die Stifte auch sind: Lehrerinnen und Lehrer sehen sie gar nicht gerne. Denn in den Etuis der Kinder ersetzen sie nicht die Filzer, sondern den Füller. Legami statt Lamy – dagegen wehren sich immer mehr Lehrverbände. In ihren Augen stärkt das Schreiben mit dem Füller die Feinmotorik von Grundschulkindern und verhilft ihnen zu einer leserlichen Schrift. Viele verbieten Legami-Stifte zudem in Klassenarbeiten, da sich das Geschriebene leicht wegradieren lässt.
Die beiden Mädchen verlassen die Hamburger Buchhandlung an diesem Tag ohne Weihnachtsstift. Doch ihre Enttäuschung ist verschwunden. Beide halten ihre Handys in den Händen, bei TikTok haben sie gesehen, dass es in der Innenstadt ein Geschäft geben soll, das noch Restbestände führt. „Da fährt meine Mutter uns jetzt hin“, sagt eine der beiden. Die Legami-Jagd geht weiter.