Es wird das Oregano-Mysterium genannt. Dass sehr viel mehr Oregano exportiert als geerntet wird. Wir haben mit dem größten Oreganoproduzenten der Welt gesprochen, was dahintersteckt.
Auf Tiefkühlpizzas ist er immer drauf: der Oregano. Häufig in großen Mengen. Geschmacklich eher irrelevant. Ist das eigentlich immer Oregano? Könnte sein, könnte aber auch nicht sein. Was steckt dahinter?
Der Fachbegriff dafür nennt sich Adulteration, also Verfälschung. Mit diesem Problem schlägt sich Kazim Gurel jeden Tag herum. Er ist Geschäftsführer der weltweit größten Oreganoproduktion mit Sitz in der Türkei. Gurel bezeichnet sich selbst als Verteidiger von Oregano, denn es gebe kein anderes Produkt, das mehr verfälscht wird als Oregano. In Zahlen ausgedrückt, wirkt es noch viel drastischer: „Jährlich werden etwa 15.000 Tonnen Oregano exportiert, aber nur rund 12.000 Tonnen Rohmaterial Oregano geerntet. Zieht man davon noch Stiele, Äste und Steine ab, beläuft sich die jährliche Oregano-Produktion der Türkei auf 9.000 Tonnen“, sagt Kazim Gurel im Gespräch mit dem stern.
GewürzeWie Oregano mit Laub gestreckt wird
„Wir nennen es das große Oregano-Mysterium und das ist die Realität der Situation heute.“ Gurels Firma Kutas aber hat sich diesem Mysterium verschrieben. Verfälscht wird Oregano übrigens nicht bei der Ernte, sondern von kleinen Playern, die Oregano kaufen und die Ware strecken. Mit getrockneten Blättern, also Laub. Und zwar vom Olivenbaum, Erdbeeren oder Sumach (kleiner Baum, der vorwiegend in Südeuropa wächst). Die Praxis ist bekannt. Auch Dirk Radermacher vom Fachverband der Gewürzindustrie bestätigt die Verfälschungen: „Die meisten unserer Unternehmen bekommen die Ware gerebelt geliefert, nur unter dem Mikroskop und mit Pinzette kann man anschließend feststellen, wie hoch der Anteil an Oregano und vielleicht an Olivenblättern ist“, sagt Radermacher dem stern. Wie man es verhindern kann? „So lange bekannt ist, dass in der Türkei 9.000 Tonnen Oregano angebaut und 15.000 Tonnen exportiert werden, können wir das nicht verhindern. Wir können es nur kontrollieren, indem unsere Unternehmen im Anbauland die Produktion kontrollieren.“
Bevor Oregano aus Kazim Gurels Firma rausgeht, wird jeder einzelne Sack Oregano inspiziert, überprüft und mit einem QR-Code versehen. Erst wenn die Ware sauber ist, geht sie in den Handel. Gurel versichert, große Marken, die einen Ruf zu verlieren haben, werden sicherstellen, dass keine verfälschten Produkte ihren Namen tragen und in den Handel kommen. Auch Boris Rafalski, ehemals verantwortlich für nachhaltige Beschaffung aus Entwicklungsländern bei Unilever, vertraut den großen Playern in der Hinsicht, dass sie sehr streng kontrollieren. Dennoch empfindet er die Transparenz im Gewürzbereich als ungenügend. „In der Gewürzbranche brodelt es. Besonders bei Gewürzen aber ist Transparenz kaum vorhanden“, sagt Rafalski im Gespräch mit dem stern. „Bei Kakao, Kaffee und Tee hat sich schon mehr getan. Aber eben noch nicht bei Gewürzen“. Das möchte er ändern.
Interview Fuchs GmbHGewürze müssen transparenter werden
Mit „Soul Spice“ verschreibt er sich einer fairen und nachhaltigen Gewürzbranche, die Gewinne werden mit den Bauern geteilt. „Koloniale Strukturen sind noch sehr omnipräsent. Gewürze sind eigentlich etwas sehr Wertvolles und gehören zu den teuersten Lebensmitteln. Aber die, die es anbauen, gehören zu den Ärmsten auf der Welt. Die Wertschöpfung findet in den entwickelten Ländern statt, der Anbau aber in Entwicklungsländern.“
Der Geschäftsführer vom Gewürzverband will davon nichts wissen: „Die Kleinbauern wissen, wie viel ihre Gewürze wert sind. Es stimmt nicht, dass sich die Großhändler hier die Taschen voll machen. Es gibt eine Kette, in der jeder Geld verdient. Die deutschen Unternehmen legen viel Wert darauf, die Wertschöpfungskette zu verkürzen. Indem sie nur Rohgewürze kaufen und – schon aus Qualitätssicherungsgründen – Reinigung und Vermahlung vor Ort in Deutschland machen“
Woran man echten Oregano erkennt? Das ist gar nicht so einfach, erklärt Kazim Gurel. Aber das Gewürz muss einen intensiven Geruch haben. Lagert man Oregano außerdem luftdicht und im ganzen Blatt, kann das Aroma bis zu zwei Jahre überdauern.