Syriens gestürzter Machthaber Assad floh mit seiner Familie überhastet von Damaskus nach Moskau. Jetzt berichten anonyme Quellen von den Details der panischen Abreise.
Die Flucht des syrischen Machthabers Baschar al-Assad erfolgte überstürzt. Offenbar mit Hilfe des russischen Geheimdienstes setzte er sich in einem Flugzeug am Sonntag, den 8. Dezember, nach Moskau ab. Dort erwarteten ihn Ehefrau Asma, die Söhne Hafiz und Karim sowie Tochter Zein. Sie waren offenbar zu einem früheren Zeitpunkt geflohen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Sie hat mit 14 Quellen aus dem unmittelbaren Umfeld Assads und mit involvierten Diplomaten gesprochen, um die Umstände der wilden Abreise etwas näher zu beleuchten. Am Ende halfen dem Machthaber wohl nur noch Lügen und Täuschung, um sich vor den herannahenden Aufständischen zu retten.
Bevor endgültig die letzten Tage seiner Herrschaft anbrachen, habe Assad demnach versucht, Russland und den Iran um militärische Hilfe zu bitten. Im Jahr 2015 hatte Putin dem Verbündeten mit einem massiven und brutalen Militäreinsatz im Bürgerkrieg geholfen. Diesmal aber verweigerte Russland Unterstützung. Das russische Militär hat mit dem Krieg in der Ukraine genug zu tun.
Beim Treffen mit Irans Außenminister scheint Assad verzweifelt
Noch am 28. November hält sich Assad laut Reuters in Moskau auf, einen Tag nachdem die Aufständischen Aleppo angegriffen haben. In der russischen Hauptstadt wird ihm deutlich gemacht, dass er keine militärische Hilfe zu erwarten habe. Laut Hadi al-Bahra, dem Chef der Oppositionsbewegung außerhalb Syriens, informiert der Diktator Offiziere und Berater in Damaskus nicht über die Lage. „Nach seiner Moskau-Reise sagte er seinen Befehlshabern und Mitarbeitern, dass militärische Unterstützung kommen würde“, fügt Bahra hinzu. „Er hat sie belogen. Die Nachricht, die er aus Moskau erhielt, war negativ.“Dinner mit Assad 10:30
Vier Tage später, am 2. Dezember, trifft der iranische Außenminister, Abbas Araghtschi, in der syrischen Hauptstadt ein. Die Aufständischen um die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) haben Aleppo mittlerweile eingenommen und rücken mit hohem Tempo südwärts vor. Zeugen schildern, dass Assad während des Treffens mit Araghtschi sichtlich verzweifelt gewesen sei und eingeräumt hätte, dass seine Armee zu geschwächt sei, um wirksamen Widerstand zu leisten. So erzählt es ein hochrangiger iranischer Diplomat Reuters. Assad habe aber nicht um iranische Truppen gebeten, weil er genau wusste, dass die Mullahs aus Furcht vor einer direkten Konfrontation mit Israel keine Truppen in Syrien zur Verfügung stellen.
Assad hat schließlich keine Wahl mehr – seine Herrschaft kollabiert innerhalb weniger Tage. Spätestens jetzt ist klar: Die Assads müssen so schnell wie möglich das Land verlassen, die Aufständischen um die HTS stehen kurz vor Damaskus. Das Ziel sind, so berichten es Zeugen, zunächst die Vereinigten Arabischen Emirate, doch die verweigern dem Diktator und seiner Familie die Zuflucht, wohl aus Angst vor internationaler Kritik.
Syrien Präsidentenpalast 19:54
Assad belügt die eigenen Offiziere
Also Moskau. Dort besitzt die Assad-Familie zahlreiche Luxusapartments. Außenminister Sergej Lawrow habe alle diplomatischen Kanäle benutzt, um der Familie eine sichere Ausreise zu ermöglichen. Über die Türkei und Katar knüpft er Kontakte zur HTS, um zu garantieren, dass das Flugzeug oder die Flugzeuge mit den Assads an Bord nicht abgeschossen werden.
Bis zuletzt lässt der Diktator sein unmittelbares Umfeld über die Fluchtpläne im Unklaren. Wahrscheinlich fürchtet er, dass sein Vorhaben vereitelt werden könnte. Vielleicht ja auch von den eigenen Leuten. Nicht mal seinen Bruder Maher, der mächtige Kommandeur der Präsidentengarde und der 4. Division der syrischen Armee, weiht er ein. Maher muss schließlich in einem Helikopter direkt nach Russland fliegen. Bekannt ist auch, dass Assads Cousins Ehab und Eyad Makhlouf auf sich alleine gestellt waren. Die Aufständischen fingen sie in ihrem BWM ab und durchsiebten sie mit Kugeln, als sie auf dem Weg nach Beirut waren. Ehab Maklouf starb, der Bruder überlebte schwer verletzt, heißt es.Saydnaya: Das war Assads Todesfabrik 6.10
Sogar die eigenen Offiziere belügt Assad in diesen dramatischen Momenten. Stunden vor seiner Abreise nach Moskau soll er ihnen bei einem Treffen im Verteidigungsministerium versichert haben, dass russische Militärunterstützung unterwegs sei. Die eigenen Bodentruppen soll er zum Durchhalten aufgefordert haben, berichtet Reuters.
Baschar al-Assad führt letztes Telefonat mit dem Premier
Am Samstagabend um 22.30 Uhr habe Assad ein letztes Mal mit Premierminister Mohammed al-Jalali, telefoniert: „In unserem letzten Telefonat habe ich ihm gesagt, wie schwierig die Situation ist und dass sehr viele Menschen von Homs nach Latakia fliehen […] und dass Panik und Entsetzen auf den Straßen herrschen“, sagte er dem saudischen Fernsehsender Al Arabiya TV. Assad habe geantwortet: „Morgen werden wir sehen.'“ Und: „“Morgen, morgen‘, war das Letzte, was er mir sagte.“ Bei Tagesanbruch am Sonntag habe er erneut versucht, Assad anzurufen, aber er habe keine Antwort erhalten.
Da saß Assad vermutlich schon in einem Flugzeug, das den Transponder ausgeschaltet hatte, um nicht geortet zu werden. Auf einem russischen Militärflugplatz bei Latakia an der Mittelmeerküste soll er schließlich in einen russischen Flieger umgestiegen sein.
Quelle: Reuters