Biathletin Franziska Preuß muss viele Rückschläge verkraften. Doch sie kämpft immer weiter. Und wird nach einer langen Leidenszeit nun belohnt.
Franziska Preuß genoss im Sonnenschein von Hochfilzen jede Umarmung und jeden der unzähligen Glückwünsche ganz besonders. Am Ende einer schier unendlichen Leidenszeit strahlte Deutschlands Top-Biathletin erleichtert, nach dem Sprint freute sie sich über den zweiten Weltcupsieg ihrer Karriere und den Sprung an die Spitze der Gesamtwertung. Fast sechs Jahre oder genau 2154 Tage musste die einst neben Laura Dahlmeier als größtes deutsches Talent gefeierte 30-Jährige auf diesen großen Erfolg warten.
„Ich bin einfach im Flow gewesen und bin mega happy“, sagte die Bayerin nach ihrem Triumph, mit dem sie zugleich zum zweiten Mal in ihrer Karriere das Gelbe Trikot der Weltcup-Spitzenreiterin übernahm: „Ich bin sehr, sehr glücklich und auch überrascht, dass es mit einem Fehler für den Sieg gereicht hat.“
Nachdem sie erschöpft im Ziel lag, stand sie wenig später glücklich inmitten ihrer Teamkolleginnen und wurde gefeiert. Ihren bisher ersten und einzigen Erfolg im Weltcup hatte Preuß am 20. Januar 2019 beim Heimspiel in Ruhpolding eingefahren. Und sie widmete ihren neuen Erfolg ihrem Bruder, der zu Hause Geburtstag feierte. „Die Medaille ist für dich Flo“, sagte Preuß.
Preuß siegt an historischem Ort
Einen schöneren Ort als Hochfilzen hätte sich Preuß kaum aussuchen können. Denn hier wurde 2017 ihr Lebensgefährte Simon Schempp Massenstart-Weltmeister, Dahlmeier holte fünf WM-Titel und Benedikt Doll Sprint-Gold. Und Preuß kann am Samstag (12.15 Uhr/ZDF und Eurosport) ebenso wie die starke Fünfte Selina Grotian (1 Fehler/+30,2 Sekunden) in der Verfolgung nachlegen. „An den Verfolger denke ich noch nicht, ich genieße jetzt erstmals“, sagte Preuß und stieg bei der Siegerehrung jubelnd aufs oberste Treppchen. „Das gibt neues Selbstvertrauen“, sagte Grotian derweil.
Preuß, schon Massenstart-Dritte beim Saisonstart in Kontiolahti, verwies die fehlerfreien Sophie Chauveau (+7,7 Sekunden/Frankreich) und Karoline Offigstad Knotten (+10,1 Sekunden/Norwegen) auf die Plätze. Dabei hatte sie schon befürchtet, dass sie nach ihrem einzigen Fehler beim Stehendschießen aus dem Rennen sei. „Das war ein Dämpfer und ich dachte, verdammt, das wird heute nicht reichen“, berichtete Preuß. Aber sie lieferte auch in der Loipe eine starke Leistung ab und belohnte sich endlich.
Nach Operation endlich ganze Saison fit?
In diesem Sommer hatte sich die Älteste im deutschen Frauenteam einem Eingriff an den Nasennebenhöhlen unterzogen, um endlich Stabilität in ihre so labile Gesundheit zu bringen. Das scheint sich bisher auszuzahlen. Denn Preuß erwischte es in ihrer Karriere so oft wie kaum eine andere. Fast nie kam sie gesund durch eine Saison, was die Bayerin bis jetzt mutmaßlich zahlreiche weitere Erfolge gekostet hat. Auch bei der WM in Nove Mesto im Frühjahr war sie als deutsche Medaillenkandidatin Nummer eins angereist, ging aber angeschlagen wieder mal leer aus.
„Ich hätte schon gerne auf viele Leiden verzichtet. Die Entscheidung, den Eingriff machen zu lassen und einen Entzündungsherd wegzuhaben, war einfach der Schlüssel“, sagte Preuß in Tirol. Sie habe den ganzen Sommer „einfach ihr Ding trainiert und wenig Kompromisse gemacht“. „Ich habe auf meine Erfahrung gehört. Ich weiß, was mir guttut, das habe ich versucht umzusetzen“, erzählte Preuß: „Jetzt wird man für die ganze harte Arbeit im Sommer belohnt. Das ist schön, wenn es so bestätigt wird.“
Preuß noch nicht in Topform
Die Rückkehr nach ganz oben freute auch die Trainer besonders, die mit Preuß harte Zeiten durchstehen mussten. „Wir haben seit vielen Jahren gesehen, was sie für ein Potenzial hat“, sagte Frauen-Chefcoach Kristian Mehringer – und sieht noch Steigerungspotenzial: „Sie ist noch nicht in Topform, das muss sie auch nicht sein, sondern eher Richtung WM. Daran werden wir jetzt arbeiten.“
Beim Saison-Höhepunkt im schweizerischen Lenzerheide im kommenden Februar will Preuß endlich wieder eine Einzel-Medaille gewinnen. Das war ihr bislang nur bei der WM 2015 mit Silber im Massenstart gelungen, in Kontiolahti hatte sie auch ihr einziges Staffel-Gold gewonnen. „Sie ist aktuell im besten Alter und bleibt auch in schwierigen Situationen gelassen“, sagte Mehringer über seine Top-Athletin. Das sei der Schlüssel für weitere Erfolge.
Vanessa Voigt (27) wurde in Tirol derweil Zwölfte, Julia Tannheimer (19) landete auf Rang 29. Und auch Marlene Fichtner (21) schafft es bei ihrem Weltcup-Debüt als 46. ebenso ins Jagdrennen wie Julia Kink (40.).