Sturz des Assad-Regimes: Chef der Übergangsregierung verspricht „Stabilität und Ruhe“ in Syrien

Die neuen Machthaber in Syrien versuchen, Zuversicht zu verbreiten und sprechen von Kriegsende. Sicher ist aber auch: Das Land entscheidet nicht allein über seine Zukunft.  

Der neue Chef der syrischen Übergangsregierung sendet nach dem Sturz des bisherigen Machthabers Baschar al-Assad Signale der Mäßigung. In einem Interview mit dem Sender al-Dschasira sagte Mohammed al-Baschir, es sei nun für das Volk an der Zeit, „Stabilität und Ruhe zu genießen“ und zu wissen, dass die Regierung die Dienste erbringe, die es brauche. 

Al-Baschir hatte zuvor im Telegram-Kanal des syrischen Staatsfernsehens erklärt, er sei damit beauftragt worden, bis zum 1. März eine Übergangsregierung zu führen.

„Syrien wird wiederaufgebaut werden“

Bislang war al-Baschir der Chef der von der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) ausgerufenen Regierung in der Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes gewesen. Kämpfer unter Führung der HTS hatten die Hauptstadt Damaskus erobert und den langjährigen Machthaber Assad gestürzt. Der Einnahme der syrischen Hauptstadt war ein rasanter Vormarsch der Milizen durch das Land vorangegangen. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen wird, floh nach Russland.

Interview Frauen in Syrien 20.44

HTS-Anführer Abu Mohammed al-Dscholani hatte bereits Gespräche über eine Machtübergabe angekündigt und erklärt, an Folter und Kriegsverbrechen beteiligte hochrangige Ex-Beamte zur Verantwortung zu ziehen. 

Zuletzt bemühte er sich, Befürchtungen über die Zukunft Syriens zu beschwichtigen: Dem britischen Sender Sky News sagte er, das Land steuere nicht erneut auf einen Krieg zu: „Syrien wird wiederaufgebaut werden“, sagte al-Dscholani. „Das Land ist auf dem Weg zu Entwicklung und Wiederaufbau. Es geht in Richtung Stabilität.“ Die Menschen seien „vom Krieg erschöpft“, fuhr er fort. „Das Land ist also nicht bereit für einen weiteren und wird auch nicht in einen weiteren geraten.“

Lage hängt nicht allein von Syrien ab

Ob Land und Region tatsächlich zur Ruhe kommen, hängt allerdings nicht allein von der neuen syrischen Führung ab. Sowohl die USA als auch Russland sowie die Nachbarstaaten haben dort Interessen. Darunter Israel. Dessen Verteidigungsminister Israel Katz sagte jetzt, die Marine seines Landes habe „mit großem Erfolg die syrische Flotte zerstört“. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte die neuen syrischen Machthaber zudem davor, ein Wiedererstarken des iranischen Einflusses in Syrien zuzulassen.

Folgen von Syrien-Umsturz für Ukraine-Krieg 18:11

Hisbollah

Unter Assad war Syrien ein wichtiger Bestandteil der vom Iran angeführten „Achse des Widerstands“ gegen Israel, zu der auch die Hisbollah-Miliz im Libanon und die Hamas im Gazastreifen gehören. „Wir hoffen, dass sich entschieden gegen die israelische Besatzung stellt und gleichzeitig eine ausländische Einmischung in seine Angelegenheiten verhindert“, erklärte die Hisbollah.

USA
 

US-Außenminister Antony Blinken forderte alle Nationen dazu auf, einen „inklusiven“ politischen Prozess in Syrien zu unterstützen. Die künftige Regierung in Damaskus müsse „glaubwürdig, inklusiv und nicht sektiererisch“ sein und verhindern, dass Syrien „als Basis für den Terrorismus“ genutzt werde, gab er an.

EU

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, Syrien dürfe kein zweites Irak, Libyen oder Afghanistan werden. Konfessionelle Gewalt gelte es ebenso zu verhindern wie ein Wiederaufleben des Extremismus und ein Regierungsvakuum.

FS Sednaya Foltergefängnis Syrien 16:28

Deutschland und Türkei

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan waren sich laut Bundesregierungssprecher Steffen Hebestreit „einig, dass der Fall des diktatorischen Assad-Regimes eine sehr gute Entwicklung“ sei. Es müsse Scholz und Erdogan zufolge nun „darum gehen, dass Syrien eine sichere Heimat für alle Syrer werde, unabhängig von deren ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit“, erklärte Hebestreit nach einem Telefonat der beiden.

Islamischer Staat

Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hält zwar keine syrischen Gebiete mehr unter ihrer Kontrolle, ist aber nach wie vor aktiv. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, IS-Kämpfer hätten 54 Soldaten der Regierung gefangengenommen und getötet.

Vereinte Nationen

Der UN-Syrienbeauftragte Geir Pedersen rief die Miliz HTS und ihre Verbündeten auf, ihren „positive Botschaften“ der Einheit an das syrische Volk nun Taten folgen zu lassen. Derzeit werde Syrien von einem „Flickenteppich“ aus Gruppen kontrolliert. „Es ist wichtig, dass es nicht zu Konflikten zwischen den Gruppen kommt“, sagte er.