Bundestagswahl: Scholz stellt Vertrauensfrage mit dem Ziel der Neuwahl

Es ist das sechste Mal, dass ein Kanzler dem Bundestag die Vertrauensfrage stellt. Olaf Scholz reicht seinen Antrag mit dem Ziel ein, bei der Abstimmung am Montag zu scheitern.

Gut drei Jahre nach seinem Amtsantritt hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim Bundestag die Vertrauensfrage beantragt, um eine vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar herbeizuführen. Er übermittelte den Antrag heute wie geplant Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. 

Die Abstimmung darüber soll am kommenden Montag stattfinden. Es gilt als sicher, dass Scholz keine Mehrheit bekommt. In dem Fall hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 21 Tage Zeit, auf Bitten des Kanzlers den Bundestag aufzulösen und den Neuwahltermin festzulegen. 

Dass Steinmeier die Auflösung verweigert, ist praktisch ausgeschlossen. Er hat bereits wissen lassen, dass er den 23. Februar für realistisch hält. Und er hat erklärt, nach welchem Maßstab er entscheiden werde: „Unser Land braucht stabile Mehrheiten und eine handlungsfähige Regierung.“ 

Das ist seit dem Rauswurf von FDP-Finanzminister Christian Lindner und dem damit verbundenen Aus der Ampel-Koalition am 6. November nicht mehr gegeben. Scholz führt seitdem eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat und deswegen ohne Unterstützung aus der Opposition nichts mehr durchsetzen kann. 

Wie wird die Abstimmung am Montag ablaufen?

Im Bundestag wird Scholz den Abgeordneten am Montag seine Gründe für die Vertrauensfrage in einer Rede erläutern. Anschließend wird es eine etwa 90-minütige Aussprache geben. Danach entscheidet das Parlament voraussichtlich in namentlicher Abstimmung. Das bedeutet, dass das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten mit etwas Verzögerung veröffentlicht wird. Es kann sich also kein Parlamentarier anonym für oder gegen Scholz aussprechen.

Ist sicher, dass Scholz keine Mehrheit bekommt?

Es ist ziemlich sicher, dass Scholz mit der Vertrauensfrage scheitert – auch wenn es einen Unsicherheitsfaktor gibt. Dem Bundestag gehören 733 Abgeordnete an. Um das Vertrauen des Parlaments zu bekommen, müsste Scholz 367 Stimmen erhalten – die absolute Mehrheit aller Parlamentarier, auch „Kanzlermehrheit“ genannt. Die SPD-Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten will dem Kanzler das Vertrauen aussprechen. Die Grünen, der noch in der Regierung verbliebene Juniorpartner der SPD, haben sich noch nicht entschieden. Ihre Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann hatte zwar kurz nach dem Ampel-Aus verkündet, dass die Grünen ebenfalls für Scholz stimmen würden. Inzwischen ist aber auch eine Enthaltung im Gespräch.

Warum schwanken die Grünen noch?

Das liegt an der AfD. Sollten SPD und Grüne geschlossen für Scholz stimmen, wären das zusammen schon 324 Stimmen, also nur 43 weniger als die Kanzlermehrheit. Die AfD hat 76 Abgeordnete und könnte theoretisch Scholz zu einer Mehrheit verhelfen. Das wäre zwar irrational, weil die Partei die rot-grüne Minderheitsregierung ja eigentlich loswerden will. Aber mit Jürgen Pohl hat schon ein AfD-Abgeordneter angekündigt, für Scholz stimmen zu wollen, weil er für ihn verglichen mit dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz das kleinere Übel sei. Es ist also gut möglich, dass die Grünen auf Nummer sicher gehen und mit der SPD vereinbaren, dass sie sich enthalten.

Wie geht es weiter, wenn Scholz verliert?

Er wird dann Bundespräsident Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen, wozu der dann drei Wochen Zeit hat, also bis zum 6. Januar. Wenn Steinmeier sich dafür entscheidet, was als sicher gilt, muss die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden. SPD, Grüne und die Union als größte Unionsfraktion haben sich auf den 23. Februar als Wahltermin verständigt. Der Bundespräsident hat bisher keine Einwände dagegen erkennen lassen.

Ist der Bundestag nach der Auflösung noch handlungsfähig?

Ja. „Der „alte“ Bundestag bleibt bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages mit all seinen Rechten und Pflichten bestehen“, heißt es in einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages. Das Parlament kann jederzeit wieder zusammentreten, es kann weiter Gesetze beschließen, auch seine Gremien wie Untersuchungsausschüsse bestehen bis zum Ende der Wahlperiode fort. Dieses Ende ist mit dem ersten Zusammentreten des neu gewählten Bundestages erreicht.

Wie sieht es mit der Bundesregierung aus?

Auch die Bundesregierung ist weiterhin im Amt – und zwar im vollen Umfang und nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestages endet laut Artikel 69 Grundgesetz das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Sie bekommen dann vom Bundespräsidenten ihre Entlassungsurkunden überreicht.

Und wenn bis dahin noch keine neue Regierung gebildet ist?

Der neue Bundestag tritt nach Artikel 39 Grundgesetz spätestens am 30. Tag nach seiner Wahl zusammen. Wegen der sich oft in die Länge ziehenden Koalitionsverhandlungen ist es üblich, dass die neue Regierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht steht. Dann kann der Bundespräsident den Kanzler ersuchen, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen. Dazu ist dieser dann verpflichtet. Gleiches gilt für Ministerinnen und Minister.