Brückeneinsturz: Komplettabriss der Carolabrücke in Dresden nötig

Seit dem Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden bangt die Stadt um den Rest des Bauwerks aus DDR-Zeiten. Nun legen die Gutachter ihre Erkenntnisse dazu vor – und zerstören die Hoffnung auf Erhalt.

Die zum Teil eingestürzte Carolabrücke über die Elbe in Dresden wird komplett abgerissen. Auch die nicht direkt betroffenen Stränge A und B für den Autoverkehr sind nach Einschätzung von Experten nicht sicher. Die Stadt plant nun auch deren Rückbau und braucht dringend Ersatz. 

Als Hauptgrund für das Versagen des Verkehrsstrangs C wurde eine durch Feuchtigkeit ausgelöste Spannungsrisskorrosion ermittelt. In Verbindung mit Materialermüdung durch Belastung führte das nach den vorläufigen Erkenntnissen dazu, dass zahlreiche Spannglieder der Brücke versagten und ihre Spannkraft verloren. 

„Spannungsrisskorrosion war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Einsturzursache“, sagte Brückenexperte Steffen Marx von der TU Dresden. Das habe sehr viel mit den Eigenschaften des Materials zu tun, das mit einer sogenannten Ölschlussvergütung auf die benötigte Festigkeit gebracht wurde. „Der Stahl wird dazu unmittelbar nach dem Walzen durch kaltes Ölbad gezogen.“ Das könne aber auch zu sogenannter Versprödung durch Nässe führen. Diese gravierende Folge sei erst Ende der 1980er/Anfang der 1990er offenbar geworden.

Nach Angaben von Marx hatten zwei Drittel der Spannstahlproben aus der gesamten Carolabrücke schwere Anrisse. „Wenn das vorliegt, hat die Brücke ihr Ablaufdatum erreicht“, sagte er. Der Prozess sei nicht zu stoppen, sondern laufe weiter mit der Nutzung, jegliche Maßnahme bringe nichts mehr. Schon während des Baus entstanden Korrosionsschäden am verwendeten Spannstahl durch Feuchtigkeit im Zuge von Witterung und Kondenswasser. 

Risse schon während Errichtung der Carolabrücke

Schadensbilder an den Spanngliedern in der Fahrbahnplatte weisen darauf hin, dass ein erheblicher Anteil der Spanndrähte schon über längere Zeit nicht mehr zur Tragfähigkeit des Bauwerks beitrug. Die Gutachter gehen davon aus, dass letztlich fortschreitender Spannstahlausfall am stark beanspruchten Querschnitt in der Pfeilerachse D zum Versagen führte. 

Der noch unsanierte westliche Brückenstrang C mit Straßenbahntrassen und Radweg brach in der Nacht zum 11. September überraschend auf etwa 100 Metern Länge ein. Einige Tage danach wurden erste Trümmer beseitigt, seit Anfang Oktober läuft der Abbruch des Zuges C der nun gesperrten wichtigen innerstädtischen Verkehrsader. Aktuell gibt es aber erneut eine Pause wegen Hochwassers.

Nach den Untersuchungen, mit denen die Stadt Professor Marx vom Institut für Massivbau an der TU Dresden beauftragte, gab es keine hinreichenden Anzeichen, die den Einsturz verlässlich hätten voraussagen können. So fehlte aufgrund der besonderen Konstruktion eine ausgeprägte Rissbildung. „Heute wissen wir, dass auch sehr kleine Risse bereits als Kriterium für eine Schädigung und somit eine Vorankündigung angesehen werden müssen.“ 

Gutachter warnen vor Weiternutzung der Brückenreste

Angesichts dessen warnen die Gutachter vor einer Wiedernutzung der Brückenzüge A und B, die bereits saniert wurden. Das sei – auch nur zeitweise – „nicht zu verantworten und ausgeschlossen“, sagte Marx. Erkenntnisse aus materialtechnischen Untersuchungen belegten auch dort Schäden infolge von Spannungsrisskorrosion. Die Experten sehen daher ein zu hohes Risiko, dass es erneut zu einem schlagartigen Versagen ohne Vorankündigung kommen könnte. Die restliche Brücke dürfe bis zum kontrollierten Rückbau nicht mehr belastet werden.

Stadt will schnellen Ersatz – Kosten über 100 Millionen Euro erwartet

Die Stadt prüft nun laut Mitteilung bereits die Rahmenbedingungen von drei Varianten einer neuen Brücke, wie Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) am Abend im Bauausschuss des Stadtrates sagte. Die Verwaltung favorisiert ein vereinfachtes Planungsverfahren – und geht von Kosten nicht unter 100 Millionen Euro aus. 

Die Gutachter bescheinigen der Stadt nach umfassender Aktenlage, dass die Brücke nach geltenden Regelwerken bewertet und betrieben wurde. „Ein nachlässiger Umgang ist nicht erkennbar.“ Gesetzliche Vorgaben wurden eingehalten, das Bauwerk regelmäßig nach den Normen sowie spezifisch auf Risiken geprüft und Empfehlungen zum Umgang mit Spannbetonbrücken umgesetzt.