Präzisere Wetterprognosen mit Künstlicher Intelligenz: Dass soll eine Anwendung der Google-Tochter DeepMind möglich machen. Ein deutscher Experte sieht KI als Ergänzung gängiger Methoden.
Genauere, schnellere und verlässlichere Wetterprognosen: Das soll ein neues KI-Modell der Google-Tochter DeepMind einer Studie zufolge möglich machen. Ein Experte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sagt, bei bestimmten Aspekten kämen KI-Vorhersagesystemen noch nicht an klassische, physikalisch-basierte Modellen heran. Deswegen seien KI-Modelle als Ergänzung zu sehen, nicht als Ersatz.
DWD-Fachmann: viel Potenzial
Roland Potthast, der beim DWD die Numerische Wettervorsage leitet, bezeichnet die im Fachblatt „Nature“ erschienene Studie als „wichtigen Schritt“: Solche Modelle hätten viel Potenzial, das nun erschlossen werden müsse. Die Ansätze von Google und weiteren Tech-Unternehmen könnten Wetterdienste „ergänzen, inspirieren und weiterbringen“. So könnten der Allgemeinheit immer bessere Vorhersagen und Warnungen bereitgestellt werden.
Entwickelt wurde die maschinell lernende Wettervorhersage-Methode namens „GenCast“ von einem Team um Ilan Price von dem in London ansässigen Unternehmen DeepMind. Die Studie wurde ausschließlich von DeepMind-Mitarbeitern durchgeführt, für das Fachblatt dann aber durch unabhängige Gutachter bewertet. Das Team kommt zu dem Ergebnis, dass „GenCast“ die beste herkömmliche mittelfristige Wettervorhersage übertrifft. Das Modell sei zudem in der Lage, extreme Wetterlagen, die Zugbahn tropischer Wirbelstürme und die Entwicklung von Windstärken besser vorherzusagen.
Die KI wurde auf der Grundlage der Analysedaten von Wetterereignissen aus 40 Jahren (1979 bis 2018) trainiert. Im Anschluss testete die Forschungsgruppe, wie gut „GenCast“ das Wetter für 2019 prognostizieren konnte.
Globale 15-Tage-Vorhersagen
Gemeinhin gilt, dass Wettervorhersagen umso ungenauer werden, je weiter sie in die Zukunft blicken. „GenCast“ sei in der Lage, innerhalb von acht Minuten globale 15-Tage-Vorhersagen zu erstellen, hieß es. Für solche mittelfristigen Prognosen galt bisher das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) weltweit als am genauesten. Bei der Vorhersage von 1.320 Windgeschwindigkeiten, Temperaturen und anderen atmosphärischen Merkmalen habe „GenCast“ nun in über 97 Prozent besser abgeschnitten, so die Entwickler.
Dabei berechne „GenCast“ seine Vorhersagen nicht einmal, sondern insgesamt 50-mal pro Prognose. Entsprechend steige die Wahrscheinlichkeit der Vorhersage-Sicherheit. Das System verspreche eine höhere Genauigkeit, Effizienz und Zugänglichkeit in einem breiten Spektrum von Situationen, so das Team.
DWD testet eigenes KI-Modell
Der DWD teste derzeit ein eigenes KI-Modell, weitere seien in Arbeit, die als Ergänzung zu bisherigen Methoden genutzt werden sollen, sagte Potthast. „Physikalisch basierte Modelle und KI-Modelle werden in der Vorhersagekette des DWD kombiniert, um jeweils auf jeder Zeitskala und für die angestrebten Vorhersage-Variablen – etwa Niederschlag, Temperatur, Winde, Druck, Feuchte, Böen, Eis-Übersättigung und vieles mehr – die bestmöglichen Vorhersagen bereitstellen zu können“, so Potthast.
Der DWD-Experte erklärte, KI als neues Werkzeug mache den Menschen nicht überflüssig. Aktuell sei sogar eher ein Mehrbedarf an Arbeitsleistung erforderlich, um die bisherige Qualität der physikalisch basierten Systeme weiterhin verlässlich zur Verfügung stellen zu können. „Die KI-Modelle können diese Qualität, Breite, Vielfalt und Verlässlichkeit noch nicht leisten, sondern sind nur in ausgewählten Variablen oder Scores schneller oder besser“, so Potthast. Es gebe aber eine sehr steile Lernkurve in dem Bereich.
KI beachtet Naturgesetze nicht
Wetter entstehe durch viele miteinander verbundene Prozesse, erklärte der DWD-Experte. „Physikalische Modelle, wie sie in der Wettervorhersage genutzt werden, halten sich an die Naturgesetze.“ Das mache ihre Vorhersagen stimmig und nachvollziehbar. „Maschinelle Lernmodelle funktionieren anders. Sie konzentrieren sich darauf, einzelne Werte möglichst genau vorherzusagen, ohne die Naturgesetze direkt zu beachten.“
Solche Modelle verteilten die das Wetter antreibende Energie – große Bewegungen wie Winde und kleine Details wie Turbulenzen – oft nicht so, wie das in der Natur passiere. In der Folge könne es zu Vorhersagen kommen, die auf den ersten Blick gut aussähen, aber in Wirklichkeit nicht ganz stimmten, besonders wenn das Wetter komplizierter werde. „Physikalische Modelle machen das besser, weil sie von Anfang an darauf ausgelegt sind, diese Zusammenhänge einzuhalten.“