Assad-Sturz: Kretschmann: Streit über Syrien-Flüchtlinge „nicht sinnvoll“

Können Syrien-Flüchtlinge nach dem Umsturz im Land jetzt bedenkenlos zurück in die Heimat? Gemach, sagen die Grünen. Aber die Justizministerin hat auch Hoffnungen.

Mit dem Umsturz in Syrien und dem möglichen Ende des Bürgerkriegs entfällt aus Sicht von Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) für viele syrische Asylbewerber im Südwesten der Grund für ihre Flucht. „Es besteht deshalb die begründete Hoffnung, dass weniger Menschen aus Syrien fliehen und umgekehrt wieder mehr Menschen nach Syrien zurückkehren werden“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.  

Zurückhaltend äußerten sich Gentges und auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zur Debatte über weitere Schritte bei in Deutschland lebenden syrischen Asylbewerbern. Es sei nicht sicher, welche Ordnung dem Assad-Regime nachfolgen werde, sagte Kretschmann. Stabilität sei die Grundlage dafür, dass Schutzsuchende wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Da dies unklar sei, ändere sich erst einmal direkt unmittelbar gar nichts. Forderungen nach Rückführungen seien derzeit „nicht sinnvoll und auch nicht verantwortlich“.

Grüne rufen zur Umsicht auf 

Daniel Lede Abal, migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, rechnet zwar mit freiwilligen Rückkehrern. „Viele sehnen sich nach ihrer Heimat und wollen zurückkehren, sobald die Türkei ihre Grenzen kontrolliert öffnet“, sagte er. Es gebe aber keinen Grund, warum gut integrierte Menschen nicht bleiben sollten, wenn sie dies wollten. „Im Gegenteil, sie sollen dies gerne tun.“

Besonders Familien, deren Kinder deutsche Schulen besuchten und die Sprache sprächen, hätten hier neue Wurzeln geschlagen. „Der Verlust der Heimat bleibt für viele ein Trauma – vorschnelle Forderungen nach Abschiebungen werden der sensiblen Lage nicht gerecht“, sagte er.

Forderungen nach Unterstützung

Aus Sicht des baden-württembergischen CDU-Partei -und Fraktionschefs Manuel Hagel bedeutet der Regierungswechsel in Syrien vor allem, dass „endlich klare Ansagen“ gemacht werden können. „Wir sollten aktuell keine weiteren Asylverfahren für Syrer durchführen und keine Einbürgerungen mehr vornehmen“, sagte er. Unterstützung beim Wiederaufbau sollte es nur geben, wenn Syrien seinerseits liefere, etwa bei der Rücknahme seiner Staatsbürger. „Für uns ist klar, dass es nur Unterstützung gibt, wenn auch Syrien kooperiert“, sagte er. „Geben und Nehmen gehören nach unserem Verständnis zusammen.“

Aus der Union kommt zudem der Vorschlag, die Heimkehr von nach Deutschland geflohenen Flüchtlingen zu unterstützen. So sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): „Wir sollten auch überlegen, sie dabei finanziell zu unterstützen.“ 

Die weitere Bewertung des Schutzstatus der in Deutschland lebenden anerkannten syrischen Flüchtlinge hängt aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) aber von der weiteren Entwicklung ab. Das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat einen vorübergehenden Entscheidungsstopp für aktuell noch laufende Asylverfahren syrischer Staatsbürger verhängt. Wenn die Lage klarer sei, solle das Amt seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen.

EU-Kommission: Keine sichere Rückkehr garantiert

Die EU-Kommission hatte aber bereits vor allzu großen Hoffnungen auf schnelle und unproblematische Rückkehrmöglichkeiten für Flüchtlinge nach Syrien gewarnt. Die Bedingungen für eine sichere und würdevolle Rückkehr seien nach derzeitiger Einschätzung momentan nicht gegeben, sagte ein Sprecher in Brüssel. Diese Einschätzung teile man mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR).

Aus der Türkei, dem Libanon und Jordanien machten sich am Wochenende zwar schon etliche Flüchtlinge auf den Weg zurück in die Heimat. Doch die Mehrheit wartete erst einmal ab, weil die Lage noch unübersichtlich war. 

Aus Oppositionskreisen hieß es, bislang gebe es keine Berichte über Gräueltaten beim Vorrücken der Rebellen und Milizen nach Damaskus. Ob den Zusicherungen der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) bezüglich des Schutzes religiöser Minderheiten zu trauen sei, müsse aber erst einmal abgewartet werden.

Zahlen und Fakten 

Bis Ende November wurden nach Angaben des Justizministeriums 4.921 Asylanträge oder Folgeanträge von Menschen aus Syrien gestellt. Im gesamten vergangenen Jahr waren es rund 7.100. In Deutschland halten sich derzeit rund 975.000 Syrerinnen und Syrer auf. 

Wie viele von ihnen perspektivisch in die Heimat zurückkehren wollen, ist derzeit nicht absehbar. Zumal unter ihnen einige sind, die schon vor der großen Flüchtlingszuwanderung der Jahre 2015 und 2016 in Deutschland lebten und Menschen, die inzwischen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen und diese teils auch bereits beantragten. 

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2023 rund 75.500 Syrerinnen und Syrer deutsche Staatsbürger. In Baden-Württemberg leben derzeit 97.880 Menschen mit einem syrischen Pass.