Artenschutz: Warum der Weg zu mehr Biodiversität nicht allen gefallen dürfte

Wie können wir die Artenvielfalt schützen – und zugleich Klimakrise, Wasserknappheit und Welternährung in den Griff bekommen? Dazu tagen in Namibia Experten und Politiker.

Noch bis zum 16. Dezember tagt in Windhoek, der Hauptstadt Namibias, der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services). Führende Artenschutzexperten treffen dort auf die Delegierten von 150 Regierungen. Politische Beschlüsse sind allerdings von dieser Konferenz nicht zu erwarten, es handelt sich eher um einen Wissenschaftsgipfel. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (gesprochen Ipp-Bess) berät die Politik und analysiert regelmäßig, was die globale Artenvielfalt am stärksten bedroht und wie Pflanzen und Tiere an Land, im Süßwasser und in den Meeren besser geschützt werden können. Etwa eine Million von acht Millionen bekannten Tier- und Pflanzenarten gilt als gefährdet.

Die IPBES-Berichte bilden die wissenschaftliche Basis und die Verhandlungsgrundlage für die UN-Biodiversitätsgipfel. Somit arbeitet IPBES ähnlich wie der viel bekanntere Weltklimarat IPCC, der das Fundament und die Vorlagen für die Weltklimakonferenzen liefert.

Die Krise der Biodiversität ist mit anderen Krisen verknüpft 

In Windhoek sollen zwei große, neue Biodiversitätsberichte diskutiert und verabschiedet werden: Der erste ist der Nexus-Bericht. Angelehnt an den englischen Begriff „nexus“ für „Verknüpfung“ oder „Bindeglied“ befasst sich dieser Report mit den vielen Querverbindungen zwischen den globalen Krisen, bewertet, was Biodiversität, Wasser, Ernährung und Gesundheit am meisten gefährdet – und zwar vor dem Hintergrund der alles überspannenden Klimakrise.

PAID Artenvielfalt Report Deutschland 18.12

Denn viele Maßnahmen der Krisenbewältigung erwiesen sich in den letzten Jahren als Rohrkrepierer oder sogar als kontraproduktiv: Beispielsweise sollte durch Intensivierung der Landwirtschaft mit immer höheren Erträgen pro Hektar mehr Nahrungssicherheit für die Weltbevölkerungen erreicht werden. Gleichzeitig wurden riesige Agrarflächen umgewandelt, um Mais oder andere Energiepflanzen für klimafreundliches Biogas anzubauen. Doch inzwischen belegen neuere Daten, dass beides der Vielfalt von Insekten und Wildvögeln schadet. Experten und Expertinnen setzen daher große Hoffnungen in den Nexus-Report, um globale Probleme überlegter und ganzheitlicher anzugehen.

Ein Biodiversitätsbericht, der politischen Sprengstoff birgt

Politischen Sprengstoff dürfte aber vor allem der zweite Bericht bergen: Das Assessment zu „Transformativem Wandel“ trägt den großen Umbruch, die Transformation, bereits im Titel und macht damit klar, dass sich die Krise der Artenvielfalt nicht durch ein wenig Nachbessern hier und da bekämpfen lassen wird. Statt Blühstreifen neben Äckern ist ein nachhaltiger Umbau der Landwirtschaft vonnöten, statt Maßnahmen, um einzelne Arten zu schützen, geht es um den grundlegenden Umbau der Wirtschaft und darum, sich von besonders zerstörerischen Praktiken unter Umständen ganz zu verabschieden. Einiges in dem Report dürfte daher den Verantwortlichen in vielen Branchen nicht gefallen – egal ob in Fischerei, Landwirtschaft oder Energiesektor.