Eine anzügliche Geste zum Thema Oralsex machte Haliey Welch zur Netzberühmtheit. Mit ihrer Selbstvermarktung könnte sie nun aber zu weit gegangen sein.
Bei einer Wahl zum Meme des Jahres 2024 stünde sie wohl ganz oben: das „Hawk Tuah Girl“, bürgerlich Haliey Welch. Die US-Amerikanerin schlenderte im Sommer nachts mit einer Freundin durch Nashville, Tennessee. Beide kamen gerade von einem Musikfestival, als ein Youtuber ihnen ein Mikro hinhält und fragt: „Was bringt Männer im Bett garantiert um den Verstand?“ Welch, offenbar leicht angetrunken, antwortet im typischen Südstaaten-Dialekt: „Man muss ordentlich auf das Ding draufspucken!“ Das „Hawk Tuah“ steht dabei für das Geräusch des Spuckens, das Welch von sich gibt.
Die Szene verbreitete sich in den Wochen danach rasant, knapp neun Millionen Mal wurde das Original auf Youtube inzwischen angesehen. Durch unzählige Abwandlungen in sozialen Netzwerken wurde das Video zum Meme und erreichte Kultstatus. Anfängliche Schamgefühle wichen bei Hailey Welch rasch dem Geschäftssinn: Die 22-Jährige eröffnete einen Instagram-Kanal (2,6 Millionen Follower), verkaufte Fanartikel und startete einen Podcast („Talk Tuah“). „Die Heldin, die wir jetzt brauchen“, schrieb gar der Rolling Stone über den märchenhaften Aufstieg von Welch.
Knapp halbe Milliarde Dollar vernichtet
Nun allerdings könnte ihr Image empfindlichen Schaden nehmen. Welch sieht sich aktuell mit Betrugsvorwürfen konfrontiert, nachdem sie in der vergangenen Woche einen eigenen Meme-Coin („Hawk“) startete.
Dabei handelt es sich um Kryptowährungen meist ohne ernsthaften technologischen Zweck und finanziellen Gegenwert, die aufgrund popkultureller Elemente jedoch viel Aufmerksamkeit erregen. Kritiker werfen Welch vor, ihren Coin nur gestartet zu haben, um schnelle Gewinne zu erzielen, während Investoren durch den Hype in die Irre geführt worden seien.
PAID Haliey Welch, 21.00Ausgangspunkt ist der Launch des Hawk-Coins am vergangenen Mittwoch. Starke Handelsbewegungen trieben die Kryptowährung zunächst auf eine Marktkapitalisierung von 490 Millionen US-Dollar, doch schon nach 20 Minuten war das Kursfeuerwerk vorüber. Die Kryptowährung stürzte ab, laut dem Branchenportal Coinmarketcap sind alle Hawk-Coins zusammen nur noch etwas mehr als 20 Millionen US-Dollar wert – ein Verlust von mehr als 90 Prozent.
Der rasche Absturz ist insofern bemerkenswert, als Haliey Welch das Projekt zuvor noch in vermeintlich guter Absicht beworben hatte. Der Token sei eine „wirklich gute Sache“, erklärte Welch und solle Anlegern ermöglichen, leichter mit ihr in Kontakt zu treten. Um Vertrauen aufzubauen, versicherte sie, dass die Coins in ihrem Besitz für ein Jahr gesperrt seien und sie diese bis dahin nicht verkaufen könne.
Kritiker sehen bekanntes Betrugsmuster
Kritiker bezweifeln die Glaubwürdigkeit dieser Aussagen allerdings und berufen sich dabei auf ein in der Kryptowelt verbreitetes Betrugsmuster. Die Rede ist vom sogenannten Rug Pull: Dabei treiben Entwickler den Kurs eines Coins zunächst durch koordinierte Käufe künstlich in die Höhe, nur um ihre Bestände dann zum richtigen Zeitpunkt mit Gewinn abzustoßen. Nicht informierte Anleger erleiden hingegen hohe Kursverluste. Ihnen wird sozusagen der Teppich (Rug) unter den Füßen weggezogen (Pull).
Entsprechende Fälle gab es in der Vergangenheit schon mehrfach. Zu den größten Rug Pulls in der Krypto-Branche zählen beispielsweise OneCoin oder der Squid Game Token, angelehnt an die bekannte Netflix-Serie. Teilnehmern dieser Betrügereien entstanden Verluste in Milliardenhöhe.
Ob es sich auch beim Hawk-Coin von Haliey Welch um ein solches Vorgehen handelt, ist derzeit aber nicht bewiesen. Sie selbst bestreitet die Vorwürfe. In einer Stellungnahme erklärte Welch, dass weder sie noch ihr Team Coins verkauft hätten. Auch habe es zum Schutz vor betrügerischen Aktivitäten hohe Gebühren beim Kauf der Tokens gegeben und Krypto-Influencer hätten zuvor keine kostenlosen Coins erhalten.
Mit der Wahrheitssuche wird sich nun voraussichtlich die US-Börsenaufsicht SEC beschäftigen, die mehrere Klagen von Anlegern erhalten haben soll. Eines aber scheint jetzt schon klar: Mit ihrer zügellosen Selbstvermarktung ist das „Hawk Tuah Girl“ dieses Mal womöglich zu weit gegangen.