Mehr als 970.000 Menschen aus Syrien leben in Deutschland, viele von ihnen haben hierzulande Schutz vor dem brutalen Krieg in ihrer Heimat gefunden. Der Sturz von Machthaber Baschar al-Assad hat eine Debatte über den künftigen Umgang mit syrischen Schutzsuchenden angestoßen. Unionspolitiker äußerten am Montag die Erwartung, dass sie nach Syrien zurückkehren, sollte es die Lage dort zulassen. Die Bundesregierung will angesichts der unklaren Entwicklung aber noch keine Neubewertung vornehmen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) setzte am Montag seine Entscheidungen über Asylanträge von Syrerinnen und Syrern vorerst aus. Eine politische Grundsatzentscheidung ist damit aber nicht verbunden: Der Entscheidungsstopp gelte, „bis die Lage klarer ist“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Das Bundesamt müsse „seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen“.
Aus der Union kamen derweil Forderungen, die Rückkehr syrischer Schutzsuchender in ihre Heimat vorzubereiten. „Sollte sich die Lage dauerhaft stabilisieren, erwarten wir, dass die Menschen, die in Deutschland vorübergehend Schutz gefunden haben, in ihre Heimat zurückkehren“, sagte Unionsparlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der „Augsburger Allgemeinen“ (Dienstagausgabe).
CSU-Chef Markus Söder plädierte für Überlegungen, „wie eine stärkere Rückführung in die syrische Heimat vieler Menschen möglich ist“. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte dem „Handelsblatt“, die Lage in Syrien habe sich nach Assads Sturz „grundlegend geändert“. Es gelte nun „zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt.“
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums verwies darauf, dass der Schutzstatus für Geflohene in Deutschland dann widerrufen werden könne, wenn sich die Lage im Herkunftsland „dauerhaft“ verbessert habe – „also nicht nur kurzfristig“. Sie fügte hinzu: „Wir müssen uns darauf verlassen können, dass diese Veränderungen von Dauer sind.“
Das Auswärtige Amt erklärte, dass es für eine solche Einschätzung noch zu früh sei. Die Lage in Syrien sei derzeit noch „viel zu dynamisch“, sagte ein Sprecher. „Ob diese neue Lage im Ergebnis zu neuen Flüchtlingsbewegungen führt oder ob sich im Gegenteil bei einer Stabilisierung der Lage für Vertriebene und Geflüchtete langfristig die Möglichkeit eröffnet, in ihre Heimat zurückzukehren, das wird sich zeigen.“
Der Außenamtssprecher kündigte an, das Ministerium werde den Asyllagebericht aktualisieren, der dem Bamf als Entscheidungshilfe für Asylgesuche dient. Angesichts der unklaren Lage in Syrien sei das aber erst möglich, „sobald sich der Staub ein wenig legt“.
Bundesinnenministerin Faeser warnte davor, jetzt schon eine Debatte über den künftigen Umgang mit syrischen Schutzsuchenden zu führen. Wegen der vielen offenen Fragen seien „konkrete Rückkehrmöglichkeiten im Moment noch nicht vorhersehbar, und es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren“, erklärte sie. Die weitere Bewertung des Schutzstatus für Syrer in Deutschland hänge „von der weiteren Entwicklung in Syrien ab.“ Auch Vertreter von Grünen und Linken warnte vor derartigen Debatten.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) schlug vor, dass die Bundesregierung in einem ersten Schritt Anreize zur freiwilligen Rückkehr nach Syrien setzt. „Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1000 Euro“, sagte Spahn den Sendern RTL und ntv.
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums wies darauf hin, dass es bereits seit 2017 die Möglichkeit gibt, dass Schutzsuchende bei einer freiwilligen Rückkehr in ihr Herkunftsland finanzielle Unterstützung durch den Bund bekommen.
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel, warnte unterdessen vor einer Fluchtbewegung von Assad-Anhängern nach Europa und Deutschland. „Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass Unterstützer des alten Regimes jetzt auch noch ihren Weg nach Deutschland finden, sodass dann mitten unter uns die Täter womöglich auf die Familien ihrer Opfer treffen“, sagte Brötel der „Rheinischen Post“.