Nach Mpox breitet sich im Kongo nun eine neue Infektionskrankheit aus. Woher stammt sie? Wie gefährlich ist sie? Und wie schnell könnte sie um sich greifen?
Was weiß man über die Krankheit X?
Im Kongo bereitet sich seit dem 24. Oktober eine bislang unbekannte Krankheit aus. Nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörden könnten bislang etwa 130 Menschen daran gestorben sein. Viele weitere sind aktuell erkrankt, darunter besonders viele Kinder und Jugendliche. Mit rund zehn Prozent ist die Sterblichkeit unter den 0- bis 18-Jährigen ersten Angaben zufolge deutlich höher als bei älteren Infizierten. Zu den berichteten Symptomen gehören Fieber, Kopfschmerzen, Husten, Atemprobleme und Anämie, also eine Blutarmut.
Aufgetreten ist die Krankheit in Gesundheitsbezirk Panzi, einer Region fern der großen Städte im südwestlichen Teil des Landes, die für Ärzte und Wissenschaftler nur schwer zu erreichen ist. Experten rufen die Bevölkerung nun zu Hygiene- und Abstandsmaßnahmen auf. Noch ist allerdings nicht klar, ob die Krankheit durch körperlichen Kontakt oder auch über andere Wege, wie etwa Aerosole übertragen werden kann.
Auch welcher Erreger hinter den Todesfällen steckt, lässt sich nicht sagen. Die Symptome passen zu vielen Erregern, unter anderem auch der Grippe und SARS-CoV2. Aber auch eine neue Krankheit lässt sich nicht ausschließen. Um mehr darüber sagen zu können, müssen die Untersuchungen der Labore abgewartet werden. Medizinische Helfer haben in den vergangenen Tagen viele Proben genommen, die aktuell untersucht werden. „Wir warten auf die Laborergebnisse in den nächsten 24 bis 48 Stunden, damit wir genau wissen, worum es sich handelt“, sagte Dieudonne Mwamba, Generaldirektor des Instituts für öffentliche Gesundheit des zentralafrikanischen Landes auf einer Pressekonferenz der afrikanischen Gesundheitsbehörde CDC Africa.
STERN PAID Mpox Affenpocken 18.38
Dass so viele Menschen sterben, muss nicht automatisch heißen, dass es sich um einen besonders tödlichen Erreger handelt. Die Sterblichkeit bei zum Beispiel Lungenentzündungen ist in dieser Region ohnehin hoch. Die Gesundheitsversorgung ist schlecht. Es fehlt an Ärzten, Medikamenten und hygienischen Standards. Außerdem sind viele Kinder unterernährt oder durch weitere Krankheiten wie Cholera und Typhus geschwächt.
Warum wüten gerade im Kongo so viele Seuchen?
Die Demokratische Republik (DR) Kongo gerät immer wieder durch Krankheitsausbrüche in die Schlagzeilen: Schon seit Monaten versuchen Ärzte und Behörden dort, eine große Mpox-Epidemie mit Zehntausenden Infizierten in den Griff zu bekommen. Ausbrüche von Typhus, Ebola oder Bilharziose sind fast an der Tagesordnung. Denn das von Bürgerkrieg und Korruption gebeutelte Land bietet beinahe ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Infektionskrankheiten: Die DR Kongo ist knapp siebenmal so groß wie Deutschland, aber viele Regionen liegen im tropischen Regenwald und sind kaum erschlossen. In ländlichen Gebieten hat ein großer Teil der Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Viele stecken sich beim Trinken aus Seen, Flüssen oder selbst gegrabenen Brunnen mit Typhus oder der Wurmkrankheit Bilharziose an. Immer wieder zerstören Rebellengruppen medizinische Infrastruktur im Land, sodass Infizierte und andere Kranke kaum versorgt werden können.
Hinzu kommt ein oft enger Kontakt zu Tieren, der die Ausbreitung sogenannter Zoonosen erleichtert, das sind Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen überspringen. Durchfälle sind weit verbreitet, weil Kleinbauern die Rohmilch ihrer Rinder trinken, ohne sie zu erhitzen. Andere leben mit ihren Hühnern unter einem Dach, manchmal im selben Raum. Das Abholzen bislang unberührter Regenwaldflächen für die Landwirtschaft erhöht das Risiko, mit völlig unbekannten Viren, Bakterien oder Pilzen in Kontakt zu kommen, auf die das menschliche Immunsystem nicht vorbereitet ist.
Und auch durch die weit verbreitete Jagd – die legale und die Wilderei – kommen viele Menschen unter hygienisch schlechten Bedingungen in Kontakt mit Wildtieren, deren Fleisch und Ausscheidungen. Man vermutet, dass zum Beispiel das Ebola-Virus sein Reservoir in wilden Fledermäusen oder Flughunden hat, die in Afrika gegessen werden. Die Krankheit Mpox, früher Affenpocken genannt, gelangte wahrscheinlich von afrikanischen Hörnchen und anderen Nagern über Affen, deren Fleisch im Kongo auf Märkten angeboten wird, zu den Menschen.
Wie groß ist das Risiko, dass die Krankheit nach Deutschland gelangt?
Von offiziellen Stellen gibt es noch keine Einschätzung zu der Frage, wie groß die Gefahr ist, dass die Infektion nach Europa gelangen könnte. Insofern kann eine Antwort zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr spekulativ ausfallen. Entscheidend ist die Frage, wie gut die Infektion sich über die Atemwege und Tröpfcheninfektionen ausbreiten kann – was, siehe oben, noch nicht bekannt ist.
Als aktuellen Vergleich bieten sich nur die zwei jüngsten Mpox-Ausbrüche im Kongo an, bei denen die Übertragung vor allem durch engen Körperkontakt mit Infizierten über Hautausschläge, Schorf oder Körperflüssigkeiten erfolgt. Nach dem ersten Ausbruch vor mehr als zwei Jahren erkrankten in Deutschland etwa 3800 Menschen daran, die meisten davon im Jahr 2022. Im Jahr 2023 gab es im Kongo einen weiteren Ausbruch mit einer neuen, möglicherweise ansteckenderen Virus-Variante. Da sich diese Infektion schon früh in weiteren afrikanischen Ländern verbreitete und vom Hotspot, der Millionenstadt Goma, Direktflüge nach Europa gehen, war die Befürchtung anfangs groß, dass sich die Erkrankung auch in Europa verbreitet. Das ist bisher nicht passiert – es blieb bei Einzelfällen in einigen Industrienationen. Der erste Fall in Deutschland war im Oktober dieses Jahres ein 33-jähriger Mann, der sich wahrscheinlich in Ostafrika infiziert hatte, also weit weg vom Kongo.
Das zeigt, dass die frühe Reaktion der Weltgesundheitsorganisation WHO und der nationalen Behörden offenbar besser funktionierte als noch ein Jahr zuvor. Die Provinz, in der sich der Ausbruch der Krankheit X vollzieht, liegt so weit ab vom Weltgeschehen, dass sogar die Hauptstadt mit weniger als 50.000 Einwohnern keinen Flughafen hat.
Insofern kann man im Moment eher davon ausgehen, dass die Gefahr einer Ausbreitung nach Europa und Deutschland wahrscheinlich sehr gering ist.