Kleine Inselstaaten wie Tuvalu könnten in den nächsten Jahrzehnten durch den Klimawandel von der Landkarte verschwinden. Die Regierung versucht zu retten, was zu retten ist.
Der Meeresspiegel steigt und steigt und steigt – laut Deutschem Klima-Konsortium durchschnittlich um knapp vier Millimeter jährlich. Niemand bekommt das stärker zu spüren als Menschen, die an den Küsten leben. Besonders betroffen sind kleine Inselstaaten wie das Pazifikparadies Tuvalu.
Das Land nördlich von Neuseeland besteht aus drei Inseln und mehreren Atollen, die teilweise weniger als fünf Meter aus dem Meer ragen. Mit seinen 26 Quadratkilometern zählt es zu den kleinsten Ländern der Welt. Bis Mitte dieses Jahrhunderts werden Überschwemmungen deutlich zunehmen, hat die Nasa errechnet. Ende des Jahrhunderts könnte der Archipel durch den Klimawandel fast vollständig vom Pazifik verschluckt werden.
Anhand von Satellitendaten lässt sich der steigende Ozean rund um Tuvalu zwar noch nicht eindeutig abbilden. Fotos von 2016 und 2024 zeigen jedoch, wie das Land versucht, sich mithilfe von Sandaufschüttungen und Ufermauern gegen das Wasser abzuschirmen.
Doch wie soll Tuvalu in einigen Jahrzehnten weiter existieren? Die Regierung hat eine Lösung: Unter dem Namen „Digital Nation“ versucht sie zu retten, was zu retten ist. Wenn der Inselstaat untergeht, soll er in einer Cloud weiterleben.
Kann Tuvalu auch ohne Grund und Boden existieren?
Die Insulaner sind dazu aufgerufen, Geschichten, Lieder, Bräuche, kurz: das immaterielle Erbe, für ein digitales Archiv zur Verfügung zu stellen. Daneben lässt die Regierung das Land seit 2023 mit einem dreidimensionalen Laserscan kartografieren. Unterstützt wird sie von der gemeinnützigen Organisation Place. Diese hat mithilfe von Drohnen und 360-Grad-Kameras kleine Wege, Häuser und Straßen der Hauptstadt Funafuti aufgezeichnet. Weitere Inseln sollen in den kommenden Jahren folgen. Das Metaverse soll alles speichern: Häuser, Pflanzen, Erinnerungen.
Die Idee dazu kam vom ehemaligen Außen- und heutigen Innovationsminister Simon Kofe. „Während unser Land verschwindet, haben wir keine andere Wahl, als die erste digitale Nation der Welt zu werden“, warnte er vor zwei Jahren in einem Video.
Doch es geht nicht nur um die Digitalisierung von Tuvalu. Langfristig stellt sich auch die Frage, ob es ein Land weiter geben kann, wenn es faktisch den Grund und Boden unter den Füßen verliert. Die Regierung setzt sich zumindest dafür ein, dass der Inselstaat auch ohne physisch abgrenzbares Gebiet noch international anerkannt bleibt. Deshalb werden auch die Pässe der Bewohner digital gespeichert, um künftig Wahlen und Volksabstimmungen durchführen zu können.
Und weil sich nicht alles einfach in die virtuelle Welt verlegen lässt, hat Tuvalu im vergangenen Jahr mit Australien ein Abkommen unterzeichnet: Es sichert den 11.000 Bewohnern ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht auf dem Kontinent. Schon jetzt dürfen jährlich 280 Menschen dorthin auswandern, wenn sie vom Klimawandel betroffen sind. Im Gegenzug arbeitet Tuvalu in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen enger mit Australien zusammen.