Regierungssturz in Frankreich: Macron in Politikkrise unter Druck – EU blickt nach Paris

Nach dem Regierungssturz wächst der Druck auf Frankreichs Präsident Macron. Schnell klare Verhältnisse zu schaffen, ist nicht nur in seinem Interesse. Auch die EU blickt besorgt auf die Lage in Paris.

Die schwere Politikkrise in Paris bringt nicht nur Präsident Emmanuel Macron zunehmend unter Druck, sondern schreckt auch die EU in Brüssel auf. Macron empfing am Vormittag Premier Michel Barnier, der nach dem Sturz seines Mitte-Rechts-Kabinetts als der Regierungschef mit der kürzesten Amtszeit in der jüngeren französischen Geschichte nach nur drei Monaten den Rücktritt einreichte. Geschäftsführend bleibt er aber zunächst im Amt.

Die populistischen Kräfte am linken und rechten Rand des Parlaments, die am Mittwochabend Barnier im Streit um einen Sparhaushalt zu Fall brachten, nehmen nun Macron ins Visier und reden von dessen Rücktritt und einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl. Am Abend will sich der Präsident in einer Ansprache an die Nation äußern – das dürfte Aufschluss darüber geben, wie es jetzt weitergeht. Einen Rücktritt hatte er stets ausgeschlossen.

Regierungssturz setzt Macron massiv unter Druck

Nicht nur die Opposition wirft Macron vor, die Politikkrise in Frankreich mit unklaren Mehrheitsverhältnissen im Parlament mit vorgezogenen Wahlen im zurückliegenden Sommer ausgelöst, zumindest aber verschlimmert zu haben. Nun steht Macron unter erhöhtem Druck auch aus den eigenen Reihen, möglichst zügig einen neuen Regierungschef zu ernennen, der die zerstrittenen Lager im Parlament insofern eint, als der längst überfällige Haushalt verabschiedet und wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht werden können. 

Der Rechtsnationale Marine Le Pen und dem Altlinken Jean-Luc Mélenchon wird aus dem Regierungslager währenddessen vorgeworfen, die politische Krise in Frankreich anzufachen. Ihnen gehe es darum, Macron vorzeitig zu Fall zu bringen, um dann selbst bei einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl anzutreten. Macron kann nach zwei Amtsperioden nicht erneut kandidieren.

Der Ausweg aus der Krise für den Präsidenten

Nach Medienberichten ist Macron daran gelegen, möglichst zügig einen neuen Premier zu ernennen. Dies könnte ihm helfen, seine angeschlagene Position zu stärken, seine verbleibende Amtszeit bis 2027 zu retten und Rücktrittsrufe zu dämpfen. 

Je schneller eine neue Regierung die Arbeit aufnimmt, desto schneller könnte sich auch die französische Haushaltskrise konsolidieren und könnte es beruhigende Signale in Richtung Wirtschaft und Finanzmärkte geben. 

Wie es nun weitergeht

Macron führte ab dem Mittag bereits Gespräche, um auszuloten, wer als künftiger Premier infrage kommen könnte. Dabei muss nicht nur das Profil des Kandidaten passen. 

Angesichts der schwierigen Kräfteverhältnisse im Parlament, in dem weder das Linksbündnis noch Macrons Lager und auch nicht die Rechtsnationalen eine Mehrheit haben, muss der künftige Premier möglichst einen Draht zu allen Blöcken im Parlament haben. Namen kursieren bereits, ohne dass sich zunächst erkennbar Favoriten abzeichneten.

Das Pariser Haushaltsproblem

Die öffentliche Schuldenlast ist in Frankreich immer mehr aus dem Ruder gelaufen und wegen einer zu hohen Neuverschuldung betreibt die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen Frankreich. Der Sparhaushalt, an dem Barniers Regierung zerbrach, ist bittere Notwendigkeit. 

Im laufenden Jahr erwartet Frankreich ein Haushaltsdefizit von 6,1 Prozent, das damit weit entfernt ist vom europäischen Grenzwert von drei Prozent.

Zwangslage bremst Frankreichs Wirtschaft aus

Angesichts der politischen Hängepartie in Frankreich ist das Vertrauen in- und ausländischer Unternehmen gestört. Mit Investitionen wird gezögert, der Wirtschaftsstandort droht Schaden zu nehmen. 

Die Industriestaatenorganisation OECD warnte, dass ohne eine Haushaltseinigung das erwartete Wirtschaftswachstum in Gefahr gerate und sich Steuereinnahmen verringerten. Die politische Instabilität werde höhere Risikoaufschläge auf staatliche Kredite und zusätzliche Milliardenlasten für das Land bedeuten, hatte Barnier gewarnt.

Auswirkungen auf EU-Politik noch unklar

Wie sich das Chaos in Frankreich auf die EU-Politik auswirken wird, ist noch unklar. Nach Einschätzung von Diplomaten in Brüssel wird vieles davon abhängen, wie es in den nächsten Wochen und Monaten in Paris weitergeht.

Problematisch könnte es demnach vor allem dann werden, wenn EU-Entscheidungen getroffen werden müssen, die neue finanzielle Verpflichtungen Frankreichs erfordern – zum Beispiel für neue Hilfen für die Ukraine. Derzeit ist dies zwar nicht konkret absehbar. Als großer Unsicherheitsfaktor gilt allerdings der im Januar anstehende Regierungswechsel in den USA mit der Frage, ob der neue US-Präsident Donald Trump die EU zu einer Übernahme von mehr Verantwortung zwingen wird.

Spielt Regierungssturz Mercosur-Befürwortern in die Karten?

Daneben wird in Brüssel auch darauf verwiesen, dass der Zeitpunkt des Misstrauensvotums gegen Barnier für Befürworter der Pläne für eine riesige Freihandelszone mit der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur eine am Ende sogar gute Sache gewesen sein könnte.

Hintergrund ist die Annahme, dass die zuständige EU-Kommission möglicherweise keinen Abschluss der Verhandlungen an diesem Freitag angestrebt hätte, wenn das Risiko bestanden hätte, dass sie dann für den Sturz der französischen Regierung mitverantwortlich gemacht wird. Mit dem Vorhaben fällt sie auch Barnier in den Rücken, der das Abkommen wie viele andere in Frankreich in der derzeitigen Form ablehnt.

Keine drängenden europapolitischen Entscheidungen 

Mit Blick auf große offene europapolitische Fragen, wie die Finanzierung des nächsten langfristigen EU-Haushalts, wird in Brüssel darauf verwiesen, dass darüber ohnehin frühestens im zweiten Quartal des nächsten Jahres Gespräche begonnen werden können.

Frankreich sei nicht das einzige große Land in Europa, dass derzeit keine wirklich handlungsfähige Regierung habe, heißt es mit Blick auf die Bundesregierung. Große richtungsweisende Zukunftsentscheidungen werde es in der EU erst dann geben, wenn im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Land gewählt worden sei.