Bundestag diskutiert Widerspruchslösung bei Organspende

Der Bundestag hat am Donnerstag über die Einführung der Widerspruchslösung für Organspenden diskutiert. Es gehe darum, dass „todkranke Mitmenschen eine Überlebenschance erhalten“, sagte die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar, die zu den Initiatorinnen des Gesetzentwurfs gehört, der von einer fraktionsübergreifenden Gruppe von Abgeordneten erarbeitet wurde. Die bisher in Deutschland geltende Entscheidungslösung sei „eklatant gescheitert“, urteilte Dittmar.

Derzeit erfolgt eine Organspende hierzulande nur, wenn jemand dies vor dem Tod klar erlaubt hat, zum Beispiel mit dem Organspendeausweis, oder wenn die Angehörigen zustimmen. Bei der Widerspruchslösung würden alle als potenzielle Spender gelten – es sei denn, sie widersprechen zu Lebzeiten. Solche Regelungen gibt es bereits in einer Reihe anderer europäischer Länder, darunter Österreich und Spanien.

Vor diesem Hintergrund sei es nicht einsichtig, warum dies dann „hier nicht zumutbar sein soll“, argumentierte die Abgeordnete Dittmar. Sie wies darauf hin, dass in Deutschland mehr als 8500 Menschen auf einer Warteliste für ein Organ stehen. Nirgendwo sonst in der EU warteten Menschen so lange auf ein Organ – im Schnitt seien es acht Jahre.

Dittmar betonte außerdem, dass der Gesetzentwurf ein Inkrafttreten erst für 2027 vorsehe. Bis dahin bleibe ausreichend Zeit, um die Bevölkerung über die neue Reglung aufzuklären.

Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann sagte, die Widerspruchslösung sei zwar „kein Allheilmittel, aber wir haben alles andere versucht“, etwa die Einführung eines neuen Organspenderegisters. Einen Zwang zur Organspende „darf es niemals geben“ – es sei aber „zumutbar, sich zu entscheiden“, betonte Connemann. Damit könnten auch Angehörige vor der „Qual der Entscheidung“ bewahrt werden.

Der Grünen-Abgeordnete und Arzt Armin Grau berichtete ebenfalls, er habe oft erlebt, wie „hilflos“ Angehörige seien, wenn sie sich mit der Entscheidung über die Organspende eines geliebten Menschen konfrontiert sähen. Oftmals werde die Spende „aus Unsicherheit“ abgelehnt und diese Entscheidung später „nicht selten“ bereut. Die Praxis der Entscheidungslösung sei „zutiefst unbefriedigend“, sagte Grau.

Gegen die Widerspruchslösung stellte sich die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke. „Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper über den Tod hinaus“ sei von herausragender Bedeutung – eine staatlich verpflichtende „Organbeschaffung“ werde dem nicht gerecht, sagte sie. Dadurch werde der „Konsens“ ignoriert, „dass bloßes Schweigen keine Zustimmung ist“.

Andere Möglichkeiten, um die Zahl der Spenderorgane zu erhöhen, seien außerdem noch nicht ausgeschöpft, zeigte sich Lütke überzeugt. So könnten etwa durch Rechtsänderungen mehr Lebendspenden ermöglicht werden.

Die Grünen-Abgeordnete Linda Heitmann lehnt die Widerspruchslösung ebenfalls ab. Die lange in der Suchtkrankenhilfe tätige Politikerin verwies darauf, dass es Menschen gebe, die vom Gesundheitssystem nur schlecht erreicht würden. Dies werde dann auch für die Aufklärung über die Widerspruchslösung und die entsprechende Abfrage der Einstellung gelten.

Es sei aber nicht vertretbar, wenn Menschen ohne eine Erklärung zur ihrer Haltung zur Organspende stürben, und dann davon ausgegangen werde, dass eine Organspende „für sie okay gewesen wäre“, warnte Heitmann. Sie kritisierte zudem das Ansinnen, solche „ethisch hochkomplexen Fragen“ noch schnell in den letzten Sitzungswochen des Bundestags vor der Neuwahl zur Abstimmung zu bringen.

Für lauten Widerspruch aus dem Plenum sorgte der AfD-Abgeordnete Martin Sichert mit seiner Rede. Er verglich unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich der Initiative für die Widerspruchslösung angeschlossen hat, mit Adolf Hitler.