Frankreich steht erneut vor einer tiefen politischen Krise. Per Misstrauensvotum wird wohl die Mitte-Rechts-Regierung von Premier Barnier gestürzt. Was man über Erfolgsaussicht und Folgen wissen muss.
Nicht einmal drei Monate nach dem Antritt der neuen französischen Regierung steht das Kabinett von Premier Michel Barnier vor dem Aus. Der Streit um dessen geplanten Sparhaushalt ist eskaliert, nun stimmen die Abgeordneten der Nationalversammlung am Nachmittag über zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung ab. Was dazu wichtig ist:
Ist schon klar, wie das Votum ausgeht?
Nicht ganz, aber es wird erwartet, dass eine Mehrheit der Abgeordneten der Regierung das Vertrauen entzieht und sie somit stürzt. Sowohl das linke Lager aus Kommunisten, Grünen, Sozialisten und Linken, als auch die Rechtsnationalen von Marine Le Pen, die die Minderheitsregierung zunächst geduldet hatten, haben einen Misstrauensantrag eingereicht. Zusammen erreichen die Oppositionsparteien die nötige absolute Mehrheit von 289 Stimmen.
Wird damit auch Präsident Macron abgewählt?
Nein. Das Misstrauensvotum gilt nur für die Regierung. Präsident Emmanuel Macron ist nicht Teil des Kabinetts. Gleichzeitig würde ein Regierungssturz auch ihn unter Druck setzen. Denn er hatte Barnier ernannt und sein Mitte-Lager regiert mit. Le Pen und die Linke hoffen möglicherweise darauf, Macron mit dem Regierungssturz zu einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl zu bewegen. Eigentlich steht das Votum erst 2027 an. Macron kann nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten.
Kommen in Frankreich jetzt also wieder Wahlen?
Eine neue Parlamentswahl wird es auch mit einem Regierungssturz nicht geben. Zur Erinnerung: Macron hatte die Nationalversammlung im Frühjahr aufgelöst und eine Neuwahl einberufen. Abermalige Wahlen sind erst ein Jahr nach der zweiten Wahlrunde wieder möglich, also im Juli. Auch ein Sturz der Regierung würde also nichts an den komplizierten Kräfteverhältnissen ändern. Derzeit haben weder die Mitte-Kräfte noch das linke Lager noch die Rechtsnationalen und ihre Verbündeten eine eigene Mehrheit in der Parlamentskammer.
Zwar dürften Teile der Opposition auf eine vorgezogene Präsidentschaftswahl hoffen. Macron hatte jedoch immer wieder betont, bis zum Ende seiner Amtszeit Staatschef bleiben zu wollen – also bis zur regulär anstehenden Wahl 2027.
Steht Frankreich dann bald ohne Regierung da? Was heißt das für das Land?
Ist das Misstrauensvotum wie erwartet erfolgreich, muss Barnier bei Macron seinen Rücktritt und den seiner Regierung einreichen. Die Ministerinnen und Minister dürfte Macron aber geschäftsführend im Amt lassen, bis es eine neue Regierung gibt. Sie könnten sich dann um wichtige laufende Angelegenheiten kümmern, nicht aber neue Initiativen anstoßen.
Doch auch mit einem geschäftsführenden Kabinett würde ein Sturz der Regierung in Frankreich erneut eine politische Krise verursachen. Schon im Sommer war die Regierungsbildung äußert kompliziert und langwierig. Letztlich konnte mit der Barnier-Regierung nur ein geduldetes Kabinett ohne eigene Mehrheit gefunden werden. Die Situation dürfte bei gleichbleibenden Kräfteverhältnissen nun nicht leichter werden. Hinzu kommt, dass der Haushalt für das kommende Jahr noch nicht verabschiedet ist. Zwar droht in Frankreich kein Shutdown wie in den USA. Mit den notwendigen anvisierten Sparplänen wird es ohne Regierung jedoch schwierig.
Sind Regierungsstürze in Frankreich nicht recht üblich?
Nein. Die französischen Regierungen haben in den letzten Jahren meist kürzer gehalten als in Deutschland und auch während einer parlamentarischen Legislaturperiode gewechselt. Unter Macron, der seit 2017 Präsident ist, gab es je nach Zählweise bereits mindestens sechs Regierungen mit fünf verschiedenen Premierministern.
Druck aus dem Parlament hat bei diesen Regierungswechseln mitunter zwar eine Rolle gespielt, aber die Abgeordneten haben das Kabinett nicht abgewählt. In der jüngeren französischen Geschichte waren Abgeordnete erst einmal mit einem Misstrauensvotum erfolgreich: 1962 entzogen sie Premier Georges Pompidou und seiner Regierung unter Staatschef Charles de Gaulle das Vertrauen. Es kam zur Neuwahl.