FDP-Urgestein Gerhart Baum sieht Partei „auf dem Weg zur Selbstzerstörung“

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) geht mit seiner Partei hart ins Gericht. „Die FDP ist auf dem Weg zur Selbstzerstörung“, sagte Baum dem Portal „Table.Media“ in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. Mit der Affäre um das „D-Day“-Papier habe die Partei ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt.

Baum forderte einen „überzeugenden Neuanfang, ob mit oder ohne Christian Lindner“, dem Parteivorsitzenden. Diesen Neuanfang müsse die Partei noch vor Weihnachten auf einem Sonderparteitag organisieren, verlangte der 92-Jährige. „Wenn jetzt nicht gehandelt wird, werden wir verschwinden.“

Der langjährige Bundestagsabgeordnete kritisierte auch, dass das politische Angebot der FDP „unverantwortlich verengt“ worden sei. Liberale Politik müsse geleitet sein von einem Verantwortungsgefühl für die ganze Gesellschaft – stattdessen habe die FDP-Spitze alles auf die Schuldenbremse und den Haushalt verengt, beklagte Baum.

„Eine Partei mit einem Prozent Sachkompetenz und vier Prozent Wähleranteil“, so beschrieb Baum die Partei. „Schlimmer noch: Sie hat eine Koalition und ein ganzes Land in Geiselhaft genommen. Da stimmt keine Relation mehr.“ Freiheit sei unlösbar verknüpft mit Verantwortung und Schutzaufträgen für Schwächere und Minderheiten, mahnte der frühere Innenminister.

In der vergangenen Woche hatten Medien Auszüge aus einem mehrseitigen Papiers aus der FDP-Zentrale veröffentlicht, das genaue Planungen für einen Ausstieg aus der Ampel-Koalition enthielt. Versehen war das Papier mit militärischen Begriffen wie „D-Day“ und „offene Feldschlacht“. Die FDP veröffentlichte das Dokument unter dem Druck der Medienrecherchen selbst.

In der Folge traten Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann – nach eigenen Angaben Verfasser des Papiers – und Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurück. Djir-Sarai, Lindner und weitere Mitglieder der Parteispitze wollen das Papier nicht gekannt haben.

Der „Spiegel“ berichtete am Dienstagabend, Reymann habe sich am Montag in einer Sitzung des FDP-Bundesvorstands zu der Sache geäußert. Das Papier sei „nicht der Masterplan der FDP“ gewesen, sondern „meine persönliche Vorbereitung für den Fall der Fälle, dass die FDP die Koalition verlassen würde“, sagte Reymann laut dem Magazin, das sich auf Teilnehmende der Vorstandssitzung berief. 

Demnach betonte Reymann auch, das eigenständige Erstellen solcher Papiere sei mit der Unterzeichnung seines Arbeitsvertrags als Bundesgeschäftsführer sein Verständnis von der Rolle seines Amts gewesen. Er brauche für so etwas „keinen Auftrag“. Zu seinem Rücktritt sagte Reymann dem Bericht zufolge: „Ich bin kein Bauernopfer, denn ich habe das Papier geschrieben, das ich zu verantworten habe.“

Die Wortwahl in dem Papier habe Reymann den Teilnehmenden zufolge als „unangemessen“ bezeichnet, schrieb der „Spiegel“ weiter. Dafür habe Reymann um Entschuldigung gebeten.

Der frühere FDP-Schatzmeister Harald Christ, der die Partei wegen der Vorgänge rund um das „D-Day“-Papier verlassen hat, forderte mehr Transparenz in der Angelegenheit. „Die Partei muss sich jetzt ehrlich machen“, sagte er am Dienstag „Zeit Online“. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, zu erfahren, was passiert sei.