In den USA begnadigen Präsidenten regelmäßig verurteilte Straftäter. Auch in Deutschland gibt es ein Begnadigungsrecht, das jedoch immer wieder in der Kritik steht.
Es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz: Kaum nähern sich US-Präsidenten dem Ende ihrer Amtszeit, entdecken sie die Mildtätigkeit für sich – und begnadigen Dutzende Menschen. Donald Trump hat 2021 in seinen letzten Amtsstunden 143 Gnadenakte ausgesprochen, Barack Obama 2017 noch schnell die Haftstrafen von 330 Gefangenen erlassen, und Joe Biden bewahrt den eigenen Sohn vor strafrechtlicher Verfolgung.
Und in Deutschland? Auch hier kann das Staatsoberhaupt, der Bundespräsident, eine Begnadigung aussprechen.
Wer spricht Begnadigungen in Deutschland aus?
Gemäß Artikel 60 Absatz 2 des Grundgesetzes hat der Bundespräsident das Recht, verurteilte Straftäter zu begnadigen. Allerdings gilt dies nur für bestimmte Fälle, etwa bei Spionage, Landesverrat, terroristischen Straftaten, Kriegsverbrechen, verurteilten Bundeswehrangehörigen oder Bundespolizisten. Dabei kann das Staatsoberhaupt sowohl verhängte Strafen mildern als auch ganz erlassen. Allerdings nicht – wie in den USA – in laufende Verfahren eingreifen und so einen gerichtlichen Schuldspruch verhindern.
Grundsätzlich steht das Begnadigungsrecht dem Bundespräsidenten ausschließlich bei Straftäterinnen und Straftätern zu, die durch die Gerichtsbarkeit des Bundes verurteilt wurden. Für alle anderen Strafgefangen üben die Bundesländer (meist die Ministerpräsidenten oder die Justizminister) das Begnadigungsrecht aus.
Nach welchen Kriterien erfolgen Begnadigungen?
Das ist nicht nachprüfbar. 1969 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Bundespräsident das Gnadenrecht nach freiem politischem Ermessen ausübt und seine Entscheidung nicht begründen muss. Das bedeutet: Weder Gerichte noch Parlamente können die Gnadenentscheidungen des Bundespräsidenten überprüfen.
Wer wurde schon alles begnadigt?
Das ist unklar. Der Bundespräsident muss über ausgesprochene Gnadenentscheidungen keine Auskunft geben, sie sind geheim. Bei besonders prominenten Verurteilten wurden Begnadigungen publik: So wurde etwa die frühere RAF-Terroristin Verena Becker 1989 durch Richard von Weizsäcker begnadigt und Adelheid Schulz, ebenfalls ehemaliges RAF-Mitglied, 2002 durch Johannes Rau. Horst Köhler dagegen lehnte ein Gnadengesuch des verurteilten RAF-Terroristen Christian Klar 2007 ab.
Bekannt ist die Anzahl der Gnadenentscheidungen: Frank-Walter Steinmeier traf in seiner ersten Amtszeit zwischen 2017 und 2022 15 Gnadenentscheidungen, Joachim Gauck zwischen 2012 und 2017 elf. Tendenziell nimmt die Zahl der Gesuche ab: Walter Scheel hat zwischen 1974 und 1979 noch 301 Gnadenentscheidungen ausgesprochen.
Warum steht das Begnadigungsrecht in der Kritik?
Seit Jahren fordern Juristinnen und Aktivisten mehr Transparenz bei Begnadigungen. Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht, bezeichnet das Begnadigungsrecht im Deutschlandfunk als ein „Relikt der Monarchie, ein antiquiertes Majestätsrecht, das in einen demokratischen Rechtsstaat nicht passt“.
Um genaue Informationen zur Begnadigungspraxis einzufordern, zog die Transparenz-Plattform „FragDenStaat“ 2022 vor das Berliner Verwaltungsgericht und anschließend vor das Oberverwaltungsgericht, scheiterte allerdings mit der Klage. Insbesondere warnt die Plattform vor potenziellem Machtmissbrauch – etwa durch rechtsextreme Justizminister.