Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus – Parlament stimmt für Aufhebung

Politische Krise in Südkorea: Staatschef Yoon Suk Yeol hat vor dem Hintergrund eines Streits über den Staatshaushalt mit der Opposition überraschend das Kriegsrecht ausgerufen. Er begründete die Maßnahme in einer am Dienstag live übertragenen Fernsehansprache mit dem Schutz vor Nordkorea. Abgeordnete des südkoreanischen Parlaments stimmten später für eine Aufhebung des Kriegsrechts. Das Militär schien dies jedoch zunächst nicht respektieren zu wollen. 

Das Parlament in Seoul wurde am späten Dienstagabend abgeriegelt, Soldaten drangen in das Gebäude ein, Hubschrauber landeten auf dem Dach. Alle politischen Aktivitäten seien untersagt, erklärte der Befehlshaber des Kriegsrechts, Park An Su. Alle Medien und Publikationen würden der Kontrolle des Kriegsrechtskommandos unterliegen.

Vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich hunderte Menschen und demonstrierten gegen die Ausrufung des Kriegsrechts. „Verhaftet Yoon Suk Yeol“, skandierten sie.

Yoon argumentierte, die Opposition habe ohne jede Rücksicht auf das „Auskommen“ der Bevölkerung die Regierung „gelähmt“. „Um ein liberales Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen zu schützen und um anti-staatliche Elemente zu eliminieren (…), rufe ich hiermit das Kriegsrecht aus“, sagte er. 

Der Präsident nannte keine konkreten Bedrohungen. Die beiden Bruderstaaten befinden sich jedoch seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell nach wie vor im Kriegszustand. Die Beziehungen beider Länder befinden sich derzeit auf einem Tiefpunkt.

Yoon rief das Kriegsrecht inmitten eines Streits seiner PP-Partei mit der größten Oppositionskraft Demokratische Partei über das Haushaltsgesetz für kommendes Jahr aus. Die Abgeordneten der Opposition, die im Parlament die Mehrheit haben, hatten vergangene Woche nur eine deutlich abgespeckte Fassung des Haushaltsentwurfs im zuständigen Parlamentsausschuss gebilligt.

Das Parlament sei „ein Zufluchtsort für Kriminelle geworden, ein Hort für eine legislative Diktatur, die das juristische und administrative System lähmen und unsere liberale demokratische Ordnung stürzen will“, sagte Yoon in seiner Ansprache dazu.

Er warf der Opposition vor, Gelder für die Kernaufgaben des Staates wie etwa die Bekämpfung der Drogenkriminalität und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zusammenzustreichen und damit einen „Zustand des Chaos bei der öffentlichen Sicherheit“ zu schaffen. 

190 Abgeordnete gelangten später in der Nacht in das Parlamentsgebäude und votierten einstimmig für die Aufhebung des Kriegsrechts, wie Parlamentspräsident Woo Won Shik mitteilte. Die südkoreanische Verfassung sieht vor, dass das Kriegsrecht aufgehoben wird, wenn eine Mehrheit im 300 Sitze fassenden Parlament dies verlangt. 

Das Militär erklärte einem Rundfunkbericht zufolge jedoch, es werde das Kriegsrecht solange aufrechterhalten, bis dies vom Präsidenten aufgehoben werde.

Oppositionsführer Lee Jae Myung verurteilte die Ausrufung des Kriegsrechts als „illegal“, die „ungültig“ sei. Lee, der bei der Wahl im Jahr 2022 knapp gegen Yoon verloren hatte, forderte die Bürger auf, sich ihm im Kampf gegen das Kriegsrecht anzuschließen. 

Die USA äußerten „große Besorgnis“ über die Entwicklungen in Südkorea und forderten eine Lösung, die der „Rechtsstaatlichkeit“ folgt. „Ich möchte betonen, dass unser Bündnis mit der Republik Korea in Stein gemeißelt ist und wir Korea in dieser Zeit der Unsicherheit zur Seite stehen“, sagte der stellvertretende Außenminister Kurt Campbell unter Verwendung des offiziellen Namens Südkoreas.

Ein Sprecher der Vereinten Nationen erklärte, die UNO verfolge die Entwicklungen in Südkorea „sehr genau und mit Sorge“. 

China, ein wichtiger Verbündeter Nordkoreas, wies seine in Südkorea weilenden Bürger an, Ruhe zu bewahren. Auch Russland, ein weiterer Unterstützer Pjöngjangs, nannte die Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea „besorgniserregend“. 

Großbritannien erklärte, die Geschehnisse „genau zu beobachten“. Das Auswärtige Amt in Berlin riet deutschen Staatsbürger, politische Versammlungen in Südkorea zu meiden.