Frankreichs Regierungschef hält Überstehen des Misstrauensvotums für „möglich“

Frankreichs Regierungschef Michel Barnier hat sich am Vorabend eines Misstrauensvotums zuversichtlich gezeigt, den drohenden Regierungssturz noch abwenden zu können. „Es ist durchaus möglich“, sagte Barnier am Dienstag in einem TV-Interview mit France 2 und TF1. „Das liegt in der Verantwortung der Abgeordneten“, fügte er hinzu. Barnier hatte das Misstrauensvotum in Kauf genommen, indem er für die Verabschiedung des Sozialhaushalts erstmals den Verfassungsartikel 49.3 genutzt hat. 

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der sich derzeit zum Staatsbesuch in Saudi-Arabien aufhält, zeigte sich zunächst unbeeindruckt. „Ich glaube da nicht dran“, sagte er am Dienstag in Riad mit Blick auf das Misstrauensvotum. „Es werden sich alle an ihre Verantwortung erinnern“, fügte er hinzu. 

Bei der Abstimmung am Mittwoch gehe es nicht um ihn persönlich, sondern um den Haushalt der Sozialversicherung, erklärte Barnier. „Ich habe immer gesagt, dass sich dieser Text noch verbessern lässt“, erklärte er. „Wir haben alle Seiten angehört und Fortschritte gemacht“, sagte er. 

„Es gab kein Feilschen, es gab ein Zuhören und Respekt“, sagte Barnier. Der rechtspopulistischen Fraktionschefin Marine Le Pen warf er allerdings vor, es dann „übertrieben“ zu haben. Dabei ließ Barnier erkennen, dass er weiter zu Zugeständnissen bereit sei. „Meine Tür bleibt offen“, erklärte er. Sollte der Haushalt nicht bis zum Jahresende verabschiedet werden, müssten 18 Millionen Franzosen mit Steuererhöungen rechnen, warnte Barnier. 

Die Nationalversammlung soll am Mittwoch über einen von der linken Opposition eingereichten Misstrauensantrag abstimmen. Da die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) erklärt hat, diesen zu unterstützen, scheint der Sturz der Regierung absehbar. Der RN hatte auch selber einen Misstrauensantrag eingereicht, über den aber nicht mehr abgestimmt wird, falls sich bereits für den ersten eine Mehrheit findet. 

Le Pen hatte ihre Unterstützung für den Misstrauensantrag damit begründet, dass es die einzige Möglichkeit sei, „um die Franzosen vor einem gefährlichen, ungerechten und bestrafenden Haushalt zu schützen“. Am Vortag hatte sie Präsident Emmanuel Macron vorgeworfen, für die politische Krise verantwortlich zu sein, und ihm den Rücktritt nahegelegt. 

Haushaltsminister Laurent Saint-Martin warf Le Pen vor, keine sachlichen Gründe für den Misstrauensantrag vorzubringen. „Abgeordnete beider Extreme wollen einen Text zensieren, der auf einem parlamentarischen Kompromiss beruht“, sagte Saint-Martin und verwies darauf, dass der Gesetzesentwurf von einem Vermittlungsausschuss ausgehandelt worden war. „Es ist klar, dass diejenigen, die den Misstrauensantrag stellen, nur einen politischen Vorwand suchen und nicht am Dialog interessiert sind“, erklärte er. 

Tatsächlich war die Regierung zuvor bereits auf mehrere Forderungen des RN eingegangen. Barnier hatte insbesondere den Verzicht auf höhere Stromsteuern und auf höhere Zuzahlungen für Medikamente angekündigt. 

Die Abgeordneten debattieren die Misstrauensanträge von 16.00 Uhr an. Mit der Abstimmung wird am Abend gerechnet. Wenn die Regierung das Vertrauen verliert, bleibt sie zunächst geschäftsführend im Amt. Macron muss dann einen neuen Premierminister ernennt, der wiederum die Regierungsmannschaft zusammenstellt. Barnier ließ erkennen, dass er es nicht für sinnvoll halte, dass Macron ihn erneut ernennen könne. 

Als nächster Premierminister ist neben anderen der mit Macron eng verbündete Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Gespräch. Aber auch er dürfte es schwer haben, in der zersplitterten und blockierten Nationalversammlung eine Mehrheit zu finden.