Kämpfer der Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) sind nach Angaben von Aktivisten kurz davor, Syriens viertgrößte Stadt Hama einzunehmen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) meldete am Dienstagabend, dass die HTS-Kämpfer „nun vor den Toren der Stadt Hama“ stehen würden und zudem einige Stadtviertel bombardiert hätten. Aufgrund der Kämpfe sei Hama „von einer großen Vertreibungswelle betroffen“.
Einige Familien würden in den Süden der Provinz oder weiter in die Nachbarprovinz Homs fliehen. Auch aus dem Westen und Norden der Provinz Hama seien bereits „Dutzende Familien“ vor den Kämpfen geflüchtet.
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana zitierte syrische Armeekreise mit den Worten, dass „große militärische Verstärkungen in der Stadt Hama eingetroffen“ seien, um „die Kräfte an den Frontlinien zu unterstützen und allen Angriffsversuchen entgegenzuwirken“.
Unter Berufung auf weitere Armeekreise berichtete Sana, dass „unsere Streitkräfte am Rande der Stadt sind“. Es seien „Einsätze im Gange, um Positionen und Städte zurückzuerobern, in die bewaffnete Terrororganisationen eingedrungen sind“.
Kameraaufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten am Dienstagabend Kämpfe zwischen Rebellen und den syrischen Regierungstruppen von Machthaber Baschar al-Assad in Halfaja, etwa 20 Kilometer nordwestlich von Hama.
Am vergangenen Mittwoch hatten die Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und verbündete Rebellengruppen im Norden Syriens eine überraschende Großoffensive gegen die Regierungstruppen gestartet. Dabei gelang es ihnen neben zahlreichen Ortschaften auch die Millionenstadt Aleppo nahezu vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Pro-türkische Kämpfer griffen im Nordosten des Landes kurdische Kämpfer an.
HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, hervorgegangen, hat nach eigenen Angaben aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida.
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle wurden bislang mindestens 602 Menschen getötet, darunter 104 Zivilisten. Die Organisation mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen. Nach UN-Angaben sind seit Beginn der Kämpfe fast 50.000 Menschen auf der Flucht.
Hama war zu Beginn des Bürgerkriegs eine Bastion der Opposition gegen die Assad-Regierung. Die Einnahme der Stadt durch die Rebellen würde nach Einschätzung des OSDH-Chefs Rami Abdel Rahman „eine Bedrohung“ für die Basis des Regimes in der Bevölkerung darstellen. In den ländlichen Gebieten westlich der Stadt leben viele Alawiten, die derselben schiitischen Glaubensrichtung angehören wie Präsident Assad und seine Sicherheitsspitzen.