Ilse Aigner feiert Geburtstag: Plötzlich 60

Berufspolitikerin wollte Ilse Aigner eigentlich nie werden. Dass es doch so gekommen ist, war oft Zufall. Im Rückblick auf ihre Karriere findet sie klare Worte – auch zu Werten in ihrer Kindheit.

Wer auf der Suche nach privaten Informationen über Ilse Aigner ist, hat es nicht leicht. Während andere Politiker wie CSU-Chef Markus Söder fast jedes Essen posten, teilt die Oberbayerin nur wenige Dinge aus ihrem Leben abseits der Politik. Auf ihrer Facebook-Seite finden sich fast täglich Texte und Bilder aus ihrem Alltag als CSU-Politikerin und Landtagspräsidentin – abseits dessen wird das Angebot aber dünn: Mal ein Video von einer Schlittenfahrt, mal ein Foto aus ihrer Kindheit oder Urlaubserinnerungen. Vielleicht gibt es am 7. Dezember wieder etwas Privates – dann wird Ilse Aigner 60 Jahre alt.

Prägender Wendepunkt des Lebens schon in früher Jugend

Obwohl Aigner ihr Leben seit mehr als vier Jahrzehnten der Politik widmet und dabei viele Hochs und Tief erlebte, war für sie im Rückblick eine andere Erfahrung die wichtigste Zäsur: „Der größte Wendepunkt meines Lebens war meine Krankheit, das hat mein Leben brutal verändert. Also auch den Blick aufs Leben, was wirklich wichtig ist im Leben, hat sich dadurch drastisch verändert“, sagt Aigner und erinnert damit an eine Episode aus ihrer Jugend: Mit 16 Jahren plagten sie starke Rückenprobleme, in deren Folge erst Hepatitis B und schließlich ein Tumor im Rückenmark diagnostiziert wurden.

Fehlendes Machtbewusstsein oder einfach Zufriedenheit?

Möglicherweise basiert auf diesen schmerzhaften Erfahrungen Aigners Gelassenheit, die ihr im politischen Alltag Kritiker auch gerne als fehlende Machtgier vorhielten. Zu hören war dies etwa, als Aigner als Nachfolgerin von Horst Seehofer im Amt des Ministerpräsidenten gehandelt wurde – damit war sie automatisch eine Konkurrenz für Söder, der das Amt unbedingt haben wollte. „Ja, dieses Machtbewusstsein, sage ich mal so, das habe ich einfach nicht. Ich muss jetzt nicht unbedingt was haben, mich selbst wichtig zu fühlen. Das habe ich definitiv nicht, sondern ich bin mit dem, was ich bin, auch sehr zufrieden.“

Politische Karriere war nie geplant

Dabei muss sich Aigner für ihre Karriere wahrlich nicht schämen. Seit 1985 ist sie Mitglied der CSU, seit 1995 im Parteivorstand und seit 2011 steht sie an der Spitze des mächtigen CSU-Bezirksverbandes Oberbayern. Bevor sie, wie sie es heute nennt „eher zufällig“ und über einen eigentlich aussichtslosen Listenplatz 1994 erstmals in den bayerischen Landtag einzog, gehörte sie dem Gemeinderat in ihrer Heimat Feldkirchen-Westerham und dem Kreistag des Landkreises Rosenheim an. „Und der zweite Schritt, dass ich in den Bundestag gekommen bin, das war auch nicht geplant“, sagt Aigner. 

Mehr noch: Sie habe nie derartige Karrierepläne gehabt – auch die Arbeit in der Hubschrauberentwicklung habe ihr „total gut gefallen“. Nach ihrem Realschulabschluss hatte Aigner erst eine Ausbildung als Radio- und Fernsehtechnikerin und später eine Fortbildung zur staatlich geprüften Technikerin absolviert. Wie in der Politik war sie dabei immer wieder meist von Männern umgeben. In der Politik würde sie sich in jedem Fall mehr Frauen wünschen – doch leider würden konservative Frauen da auch ein bisschen anders ticken. „Was aber nichts ändert daran, dass wir dafür werben müssen.“

Familie und Freunde haben für Aigner eine ebenso hohe Bedeutung wie ihre Heimat. Hier sei sie nicht die Politikerin. Besondere Erdung brauche sie aber keine: „Ich bin einfach nicht der Typ dazu, sozusagen von oben herab da mir irgendwas heraushängen zu lassen. Das werde ich auch nie werden. Das liegt wahrscheinlich schon in der Kindheit. Meine Eltern haben das immer gelernt, nicht nach unten treten und nach oben schleimen.“

Schön, aber nicht einfach: Ministerin in der Bundesregierung unter Merkel

Die Bundestagswahl 1998 sorgte endgültig dafür, dass Aigner auch außerhalb Bayerns bekannt wurde. Bei den Bundestagswahlen 2005 und 2009 erreichte sie die meisten Erststimmen unter den deutschen Bundestagskandidatinnen. Als Horst Seehofer 2008 zurück nach Bayern wechselte, beerbte sie ihn im Amt als Bundeslandwirtschaftsministerin. Bis 2013 war sie Mitglied in zwei Kabinetten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Zeit sei, so Aigner rückblickend, nicht immer einfach, aber sehr schön gewesen. Unvergessen sei etwa die EHEC-Krise 2011 gewesen, als – ausgehend von verunreinigten Sprossen – die Menschen in Deutschland Angst vor heftigen Durchfallerkrankungen hatten. 

Seit 2018 Landtagspräsidentin und Kämpferin für die Demokratie

Auf eigenen Wunsch kehrte Aigner 2013 zurück nach Bayern und in den Landtag. Hier wurde sie Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin. 2018 folgte dann der Wechsel ins Amt der Landtagspräsidentin – ein bis dato eher repräsentatives Amt. Doch spätestens mit dem zeitgleichen Einzug der AfD ins Parlament änderte sich das. 

Längst versteht sich Aigner als Verteidigerin der Demokratie, zigfach musste sie sich mit AfD-Klagen herumschlagen. „Man merkt, dass eher die autokratischen Systeme wieder Zulauf finden und deswegen ist das jetzt auf alle Fälle das zentrale Thema, das zu verteidigen und auch zu sensibilisieren, was wir an der Demokratie haben.“

Jugendberufswunsch: Astronautin 

Hätte Aigner sich in ihrer Jugend eine Karriere aussuchen können, wäre sie wohl doch abgehoben: als Astronautin. Denn wie Söder ist auch Aigner eine Anhängerin von Raumschiff Enterprise. „Das hat mich schon immer fasziniert.“ Dank ihrer politischen Karriere ist sie dem Weltraum – oder zumindest der Schwerelosigkeit – auch deutlich näher gekommen, als viele andere Trekkies: 2004 durfte sie als Berichterstatterin des Forschungsausschusses im Bundestag einen Parabelflug machen: „Das ist einfach ein irres Gefühl.“