Problemmüll: Historische Chance? Was Sie über das UN-Plastik-Abkommen wissen sollten

Gegen die Plastikflut: Im südkoreanischen Busan wird um ein globales Abkommen gegen Plastikmüll gerungen. Was von dem Vertrag zu erwarten ist und was in Deutschland passieren muss.

1. Worum geht es bei dem neuen UN-Plastik-Abkommen?

Noch bis zum 1. Dezember verhandeln Delegierte aus rund 170 Ländern im südkoreanischen Busan über ein verbindliches UN-Plastik-Abkommen. Es geht darum, die weltweite Plastikflut sowie den Plastik- und Mikroplastikmüll an Land und im Meer in den Griff zu bekommen. Die Konferenz in Busan ist schon die fünfte Verhandlungsrunde, quasi der Endspurt, an dem nun Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und von Umweltschutzorganisationen teilnehmen. Bis Ende 2024 soll dann ein fertiges Plastik-Abkommen auf dem Tisch liegen. 

2. Warum ist der Vertrag so wichtig? 

Manche Experten sehen in der Konferenz von Busan die historische Chance, eines der größten Umweltprobleme des Planeten in den Griff zu bekommen. Denn jedes Jahr werden schätzungsweise 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, wovon gerade in Entwicklungsländern ein großer Teil unkontrolliert als Abfall in der Umwelt landet – und oft am Ende im Meer. Der globale Plastikberg könnte sogar noch wachsen: laut einer Studie der Weltbank auf möglicherweise 700 Millionen Tonnen Kunststoff im Jahr 2040.

Problematisch dabei ist nicht nur die Menge, sondern auch die Zähigkeit von Plastik, das sich in der Umwelt nur langsam zersetzt. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass eine Plastikflasche im Meer 450 Jahre braucht, um zu zerfallen. Plastikreste und Mikroplastik finden sich daher inzwischen in praktisch jedem Winkel der Erde – vom Schnee des Mount Everest bis in die Tiefsee. Auch in den Mägen von Seevögeln oder Meeressäugern findet sich immer wieder Plastikmüll. Die Tiere haben den Abfall mit Nahrung verwechselt und verhungern dann mit vollem Magen. Welche Auswirkungen Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit hat, ist noch kaum erforscht.

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Auch der Klimawandel ist direkt mit Plastik verbunden. Jeder Schritt im Lebenszyklus eines Kunststoffproduktes setzt Treibhausgase frei: Synthetik-Fasern und Kunststoffe werden aus fossilen Rohstoffen wie Öl und Gas hergestellt, bei deren Förderung das Treibhausgas Methan frei wird. Produktion und Weiterverarbeitung von Kunststoffen sind sehr energieaufwendig und setzen ebenfalls viel CO2 frei. Und auch beim Verbrennen von Kunststoff in Müllverbrennungsanlagen entstehen wieder Treibhausgase.

3. Wie stehen die Chancen für ein wirksames Plastik-Abkommen?

Nicht besonders gut. Bisher gibt es nur Entwürfe, und die Positionen gehen bei vielen Punkten weit auseinander: Deutschland und die EU setzen sich für ein ambitioniertes Plastik-Abkommen ein, Umweltorganisationen wie Greenpeace fordern, die Plastikproduktion bis 2040 um 75 Prozent zu senken. Dagegen will sich die Industrie vor allem aufs Recycling beschränken, ohne ihre Produktion ernsthaft anzutasten. Unterstützt werden die Firmen und ihre Verbände dabei von Ölstaaten wie Saudi-Arabien, die den Plastikmarkt als wichtigen und stark wachsenden Absatzmarkt für Öl und Gas verteidigen. Im Moment droht das Abkommen daher durch Lobbyinteressen der Industrie verwässert zu werden.

4. Um welches Plastik-Thema wird in Südkorea am härtesten gerungen?

Sicherlich um die Frage, ob und wie stark die Plastikproduktion begrenzt werden soll. Als im Jahr 2022 die Verhandlungen für ein Plastik-Abkommen begannen, war das Interesse der Wirtschaft an diesem Thema noch gering – weil es anfangs so schien, als würde sich das Plastik-Abkommen vor allem auf Müllentsorgung und Recycling beziehen. Doch als im Laufe der Verhandlungen klarer wurde, dass auch das Drosseln der Plastikproduktion zur Debatte stehen könnte, stieg die Industrie voll in die Verhandlungen ein.

Seitdem reisen immer mehr Lobbyisten zu den Konferenzen und versuchen gemeinsam mit Ländern wie China und Saudi-Arabien das Thema Plastikherstellung aus dem Abkommen herauszuhalten. Wissenschaftler glauben allerdings, dass man der weltweiten Plastikmenge niemals allein mit Recycling Herr werden kann, sondern dass die Vermeidung von Plastik – insbesondere von Einwegplastik – zentraler Teil der Lösung sein muss.

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Auch um schädliche Zusätze in Plastikprodukten wird gestritten – und um die Frage, wie seriös Plastik-Zertifikate sind. Schon jetzt können Kunststoffhersteller für ihre Umweltbilanz Zertifikate kaufen, die gewährleisten sollen, dass an anderer Stelle auf der Welt Plastikmüll eingesammelt und recycelt wird. Das passiert allerdings oft in Entwicklungs- oder Schwellenländern wie Indonesien, die über kein transparentes Abfall- und Recycling-System verfügen. Es ist daher oft unklar, wie viel Müll tatsächlich eingesammelt und sinnvoll wiederverwertet wird – und ob Plastikfirmen mit den Zertifikaten nicht eher „Greenwashing“ betreiben.

5. Welche Maßnahmen bringen etwas gegen die Plastikflut – und was kann ich selbst tun?

Insbesondere das Einsparen von Einwegverpackungen hilft, etwa der Verzicht auf Plastiktüten an der Kasse oder auf die dünnen Tütchen in der Obst- und Gemüseabteilung. Wer mithelfen will, die Plastik-Flut einzudämmen, sollte sein Essen möglichst unverpackt einkaufen und Wasser aus dem Hahn trinken, statt es in Plastikflaschen nach Hause zu schleppen – das spart nebenher Geld. Auch Mehrwegkaffee-Becher oder Kleidung aus Naturfasern helfen, Plastik oder synthetische Fasern einzusparen. Und wer Fleece-Pullis tragen möchte, sollte sich nicht so oft welche nachkaufen, sondern die Kleidung möglichst lange tragen.

Die Industrie wiederum könnte das Recycling erheblich verbessern, wenn sie, wie schon lange gefordert, sortenreine Alternativen zu den problematischen und schwer zu recycelnden Verbundverpackungen präsentieren würde. Dazu gehören sowohl Getränkekartons aus Kunststoff, Aluminium und Papierfasern als auch sogenannte „Multilayer“-Folien für Verpackungen, bei denen mehrere Kunststoffsorten in Schichten zusammengeklebt werden. Die lassen sich oft kaum voneinander trennen und daher nicht überzeugend werterhaltend recyceln – weshalb auch in Deutschland noch viele Verpackungen einfach verbrannt werden.