Merkel räumt Versäumnisse als Kanzlerin ein: Land nicht „in Tip-Top-Zustand“

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei der Vorstellung ihrer Memoiren Fehler und Versäumnisse in ihrer Amtszeit eingeräumt. Dass sie Deutschland zum Ende ihrer Amtszeit „in einem Tip-Top-Zustand hinterlassen hätte, das kann man nicht sagen, wirklich nicht“, sagte Merkel am Dienstagabend in Berlin. Sie nannte Versäumnisse beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung und bei der Stärkung der Bundeswehr. In ihrem Buch unternehme sie aber nicht den Versuch, ihre politische Bilanz „vollkommen glorreich“ darzustellen, fügte sie hinzu.

Mit Gelassenheit reagierte Merkel darauf, dass sie von Kritikern für viele der aktuellen Probleme Deutschlands mit verantwortlich gemacht wird. „Wenn es hilft, dann soll man sagen: ‚Merkel war’s‘ – ich glaube nur, dass damit dem Land auch nicht geholfen ist“, sagte die Ex-Kanzlerin. „Damit, dass Merkel weg ist, ist weder die Bahn in Ordnung noch sind die Überlandleitungen schneller gebaut.“

Als großes Versäumnis sehe sie heute, „dass es mir nicht gelungen ist, mithilfe demokratischer Mechanismen die richtigen Antworten auf den Klimaschutz zu geben“, sagte Merkel bei der Buchvorstellung im Gespräch mit der Moderatorin Anne Will im Deutschen Theater in Berlin. Zudem sei es ihr „nicht gelungen, dass wir das Zwei-Prozent-Ziel schnell genug bei der Verteidigung erreicht haben“.

Merkel räumte auch ein, dass ihre Entscheidung aus dem Jahr 2015 zur Aufnahme in Ungarn festsitzender Flüchtlinge in Deutschland zum Erstarken der AfD beigetragen habe. Die AfD sei „stärker geworden durch die Tatsache, dass so viele Menschen zu uns gekommen sind“, sagte die frühere CDU-Politikerin. 

Sie habe damals aber keine Alternative zu ihrer Entscheidung gesehen, weil eine Zurückweisung der Geflohenen an der deutschen Grenze „noch dramatischer gewesen“ wäre. „Insofern habe ich am Anfang akzeptiert, dass so viele Menschen kamen“, sagte Merkel.

„Ich habe mir nicht ausgesucht, dass die Flüchtlinge kamen, sondern sie kamen wegen der Umstände außerhalb Europas“, sagte Merkel weiter. Der Zuzug habe sich dann auf die politischen Verhältnisse in Deutschland ausgewirkt: „Ich freu mich natürlich nicht, dass die AfD stark geworden ist.“

Merkel grenzte sich ausdrücklich von der Forderung von CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz nach Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze ab. „In dieser Frage haben wir unterschiedliche Meinungen, und das ist ja auch nichts Neues“, sagte sie. „Ich halte es auch für den falschen Weg, aber es ist nun mal so, dass er diese Meinung hat.“ In einer „großen Volkspartei“ wie der CDU gehörten solche unterschiedlichen Auffassungen aber dazu.

Merkel wies bei der Veranstaltung den Vorwurf zurück, ihre Amtszeit schönfärberisch zu schildern und manche schwierige Themen zu umgehen. Sie stelle sich gerne den „Kontroversen“, die ihr Buch ausgelöst habe, sagte sie. „Aber ich finde ein bisschen komisch, wenn jetzt so gesagt wird: ‚Ach, da steht ja gar nichts Neues drin, was wir noch nicht wussten'“, sagte Merkel – und fügte hinzu: „Stellen Sie sich mal vor, ich würde jetzt Sensationen veröffentlichen über mich, dann würde man sagen: Sie hat uns die ganze Zeit belogen.“