„Tatort: Siebte Etage“: Ballauf und Schenk ermitteln im Eroscenter

Der „Tatort: Siebte Etage“ führt Schenk und Ballauf in ein Kölner Eroscenter. Der Haustechniker ist tot – und das ist erst der Anfang.

Der „Tatort: Siebte Etage“ (Sonntag, 24. November, 20:15 Uhr im Ersten) zieht Freddy Schenk (Dietmar Bär, 63) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, 64) in ihrem 91. Fall tief in die undurchsichtige Welt der Sexarbeiterinnen. Sie ermitteln unter Prostituierten und anderen Dienstleisterinnen der siebten Etage eines Laufhauses. Dabei müssen sich die Kölner Kommissare nicht nur mit der Mordermittlung befassen, sondern stoßen hinter dem vermeintlichen Zusammenhalt auf verkorkste Biografien, zerplatzte Träume und den Wunsch nach einem anderen Leben.

Darum geht es im „Tatort: Siebte Etage“

Malik Zeman (Mehdi Salim) ist aus dem Fenster gestürzt. Genauer gesagt wurde er gestoßen, und zwar aus einem Fenster in der siebten Etage seines Arbeitsplatzes, einem Eroscenter in Köln. Wer könnte ein Motiv für diesen Mord haben? Schnell fokussieren sich die Ermittlungen auf eben jene siebte Etage, in der es neben den Zimmern der Prostituierten auch ein Nagelstudio und einen Friseursalon gibt. Die Dienstleisterinnen hüllen sich jedoch alle in einen Mantel des Schweigens und wollen ihre „heile Welt“ offenbar um jeden Preis aufrechterhalten.

Doch Ballauf und Schenk kommen dahinter, dass der Haustechniker bei den Frauen – darunter auch seine eigene Schwester – gar nicht beliebt war. Es gab sogar anonyme Briefe an den Geschäftsführer, in denen Zeman nicht nur als „derbe respektlos“ bezeichnet, sondern auch des Drogenhandels beschuldigt wird. Der Hausmeister war aufdringlich, manipulativ und äußerte sich abfällig über die Sexarbeiterinnen. Ein klares Motiv fehlt trotzdem. Erst, als es noch ein zweites Opfer unter der „Familie“ auf Etage sieben gibt, lassen die Prostituierten Jasmin (Antonia Bill, 36), Cosima (Senita Huskic, 30) und Tani (Maddy Forst, geb. 1997) langsam hinter ihre schönen Fassaden blicken.

Dabei wird klar, dass sie doch nicht alle so gerne der Sexarbeit nachgehen, wie sie vorgeben: Jasmin leidet unter dem Tod ihrer Mutter und dem Zerwürfnis mit ihrem Vater, Cosima will unbedingt ihre Söhne zu sich holen und Tani träumte eigentlich von einer akademischen Zukunft. Die Stimmung auf der siebten Etage ist bedrückend, die Situation ausweglos. Dass hier nicht früher jemand ausgetickt ist, grenzt an ein Wunder. Dafür soll es jetzt nicht bei den zwei Morden bleiben …

Lohnt sich das Einschalten?

Ja. Der Kölner „Tatort“ beherrscht es immer wieder, sich zu gesellschaftskritischen Themen zu positionieren, ohne zu sehr die Moralkeule zu schwingen. Auch „Siebte Etage“ ist eindeutig als Kommentar zur Verherrlichung des Lebens von Sexarbeiterinnen zu verstehen. Die Prostituierten sind hier keine selbstbestimmten Wesen, wie es gerne mal in TV-Filmen dargestellt wird. Ihre Welt ist nicht erotisch verklärt und pseudo-sinnlich. Sie sind aber auch nicht stereotypisch in der Opferrolle. Vielmehr hat jede ihre eigene dramatische und doch authentische Geschichte.

Dieser Tatort hat nur einen Schauplatz, die begrenzte Anzahl der beteiligten Personen ist schnell etabliert, ergo gibt es nicht viele Tatverdächtige. Das bietet Raum, um die Personen auch wirklich richtig kennenzulernen. Für den perfekten Einblick in das Innere der Sexarbeiterinnen bedient sich der Regisseur Hüseyin Tabak (43) hier des Brechens mit der vierten Wand. Die Prostituierten wenden sich direkt in die Kamera und schildern eindrücklich ihre Gefühle. „Aus Beobachtern werden plötzlich Mitwissende“, beschreibt Tabak den Effekt. Antonia Bill, Senita Huskic und Maddy Forst spielen ihre Rollen dabei sehr überzeugend.

Auch sonst ist die Ästhetik dieses „Tatorts“ ungewöhnlich. Tabak lässt die Zuschauerinnen und Zuschauer wie Freier durch die Gänge des Eroscenters gehen – übrigens ein Originalschauplatz – und zeigt in Detailansichten schnell aufeinanderfolgend Männer beim Sex aus der Sicht der Frauen. Die Frauen sollen überall im Fokus stehen, umso passender also, dass die Ermittler Ballauf und Schenk eher in den Hintergrund geraten.

Der Versuch der Drehbuchautoren, den Assistenten Jütte (Roland Riebeling, 46) durch seine persönliche Vergangenheit noch tiefer in den Fall hineinzuziehen, kommt durch die vielen anderen Dramen – berechtigterweise – etwas zu kurz und wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Alles in allem ist „Siebte Etage“ aber ein absolut gelungener, runder TV-Krimi, der es schafft, den beliebten Handlungsort „Rotlichtmilieu“ im wahrsten Sinne des Wortes mal in einem anderen Licht darzustellen.