„Konklave“-Kinostart: Knochenbrüche und Skandale: Die dunkle Seite der Papstwahlen

Der Thriller „Konklave“ ist in den Kinos angelaufen. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Mehrfach wurden Papstwahlen von Unstimmigkeiten überschattet – und Handgreiflichkeiten.

Eine Verschwörung! Als sich die 118 Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle in Rom einschließen lassen, um einen neuen Papst zu wählen, wird vor allem eines schnell klar: Die Kirchenmänner intrigieren, manipulieren – und folgen ausschließlich ihren eigenen, sehr irdischen, Ambitionen. Die Wahl droht in Machtkämpfen zu versinken, so das Szenario, das der Kinofilm „Konklave“ – beruhend auf dem gleichnamigen Bestseller von Robert Harris – entwirft.

Die Geschichte ist zwar Fiktion, kontroverse Konklaven gab es in der Vergangenheit aber zuhauf. Das Prozedere wird seit Jahrhunderten von der Öffentlichkeit mit gewaltigem Interesse verfolgt. „Ein Konklave ist geheim, und im Prinzip darf niemand etwas ausplaudern“, sagt der Kirchenhistoriker Professor Volker Reinhardt. „Alles Verbotene macht neugierig.“ Zudem umgibt die Papstwahl ein Hauch des Übernatürlichen, bestimmt doch nach offizieller katholischer Auslegung der Heilige Geist den Papst als Nachfolger Christi auf Erden.

Papstwahl im Angesicht der Hölle

Auch das Setting rund um die eingeschlossenen Kardinäle ist, vorsichtig gesagt, gewöhnungsbedürftig: Die Wahl findet in der Sixtinischen Kapelle vor Michelangelos Fresko des Jüngsten Gerichts statt – im Angesicht der dort dargestellten Hölle. „Nach der Konklaveordnung Papst Gregors XV. (1621–1623) müssen sich die Kardinäle bewusst sein, in die Hölle zu wandern, wenn sie ihre Stimme nicht dem ihrer Meinung nach würdigsten Kandidaten geben, sondern sich durch persönliche Interessen, Netzwerk-Einflüsse oder anderweitige niedrige Motive leiten lassen“, sagt Reinhardt. 

Dass Konklaven jedoch mehrfach von Skandalen und Unstimmigkeiten überschattet wurden, zeigt ein kleiner Rückblick auf sechs außergewöhnliche Papstwahlen.

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Das „Schreckenskonklave“ von 1241

Was tun, wenn sich die Kardinäle einfach nicht auf einen Papst einigen können? Im Jahr 1241 hatte der römische Senator Ronaldo Orsini genug von den kirchenpolitischen Taktierereien – und kerkerte die Männer kurzerhand in einen verfallenen, antiken Palast ein. Dort setzten nicht nur Hunger und Hitze den Papstwählern zu: Die Toiletten wurden nicht gereinigt, Ärzten der Zutritt zu Erkrankten verweigert. Schließlich starb einer der Kardinäle. Die Übriggebliebenen verständigten sich auf einen Mann, der sein Pontifikat als Coelestin IV. antrat, aber – mutmaßlich geschwächt durch das Konklave – nur 17 Tage nach seiner Wahl starb. „Dies war ein erstes Konklave, auch wenn das Verfahren der Wahl in einem verschlossenen Raum erst drei Jahrzehnte später zum Standard bei Papstwahlen wurde“, schreibt der Historiker Frederic J. Baumgartner in seinem Buch „A History of Papal Elections“. Wörtlich übersetzt bedeutet cum clave: „mit einem Schlüssel“.

Zwei Jahre, neun Monate und zwei Tage: Die längste Papstwahl

Nach dem Tod von Papst Clemens IV. im Jahr 1268 diskutierten und diskutierten die Kardinäle in der Stadt Viterbo – und fanden doch nicht zusammen. Die Stadtoberen schlossen das Kollegium in den bischöflichen Palast ein, beschränkten die Nahrungsrationen auf Wasser und Brot und ließen sogar das Dach des Palastes abdecken. Als die Kirchenmänner drohten, die ganze Stadt unter Bann zu stellen, wurde ein provisorisches Dach aufgesetzt. Erst 1271 einigten sich die Kardinäle schließlich auf einen Mann, der gar nicht im Raum war: den Archidiakon Tebaldo Visconti, der sich zu dieser Zeit im Heiligen Land aufhielt. Er trat sein Amt als Gregor X. an. Es überrascht kaum, dass nach der langwierigen Wahl ausgerechnet dieser Papst verbindliche Regeln für den Ablauf eines Konklaves ausarbeiten ließ. So legte er unter anderem fest, dass alle Kardinäle in einem Raum schlafen sollten; um die Wahl vor äußeren Einflüssen zu schützen, war jeglicher Kontakt mit Außenstehenden verboten.

Die Wahl, die zwei Päpste hervorbrachte

Wo sollte der Papst residieren: im französischen Avignon, wo er seit 1309 ansässig war, oder doch im alten Rom? Beim Konklave 1378 war die Sache für die Römer klar. „Wir wollen einen römischen Papst, oder wenigstens einen italienischen, sonst werdet ihr sterben“, skandierten bis zu 20.000 Menschen vor dem Vatikanpalast. Während draußen der Mob tobte, einigten sich die Kirchenmänner auf den Italiener Bartolomeo Prignano – allerdings nicht aus Überzeugung, sondern weil sie um ihr Leben fürchteten. Kaum war das Konklave vorbei, erklärte eine Reihe von Kardinälen die Wahl für ungültig, kam in der italienischen Stadt Fondi erneut zusammen und wählte kurzerhand einen neuen Papst: Robert Graf von Genf, der nach Avignon zog. Bis 1417 blieb das Papsttum gespalten (zwischenzeitlich gab es sogar drei Päpste gleichzeitig).

Pöbeln und Schubsen: Das Konklave, das mit Knochenbrüchen endete

Die Lager zweier Kandidaten rangen beim Konklave 1605 um die Mehrheit für die Papstwahl – im wahrsten Sinne des Wortes: Die Situation war so aufgeheizt, dass die Kirchenmänner sich anschrien, schubsten und stießen. Der Tumult sei sogar von draußen zu hören gewesen. Am Ende erlitt einer der Kardinäle mehrere Knochenbrüche. „Es ist der einzige bekannte Fall einer schweren Verletzung, die während eines Konklaves erlitten wurde“, schreibt der Historiker Frederic J. Baumgartner. Schließlich fanden die zerstrittenen Lager einen Kompromisskandidaten: Camillo Borghese, der sich Paul V. nannte.

Veto des Kaisers: Sabotage im Konklave

Für die Papstwahl 1903 gab es einen klaren Favoriten: Kardinal Mariano Rampolla. Während des Konklaves jedoch löste der anwesende Bischof von Krakau einen Aufruhr aus: Er legte im Namen des österreichischen Kaiser Franz Joseph I. ein Veto gegen Rampolla ein. Damit machte der Kaiser von einem alten, nie schriftlich festgehaltenen Recht Gebrauch, das die katholischen Herrscher Frankreichs, Spaniens und Österreich-Ungarns für sich beanspruchten: Sie konnten die Wahl ihnen missliebiger Kandidaten blockieren. Möglicherweise lehnte Franz Joseph Rampolla ab, weil dieser als Frankreich-Freund galt. Schließlich einigte sich das Kollegium auf einen neuen Mann: Giuseppe Melchiorre Sarte. Als Pius X. untersagte er den Kardinälen prompt, bei künftigen Papstwahlen das Veto eines Herrschers anzubringen – unter Androhung der Exkommunikation.

Misstrauen unter Kardinälen: Die Papstwahl von 1914

Am 31. August 1914, kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, kam das Kardinalskollegium in der Sixtinischen Kapelle zusammen, um einen neuen Papst zu wählen. Früh zeichnete sich ein knappes Ergebnis zwischen Konservativen und Modernisierern ab. Im zehnten Wahlgang erreichte der eher progressive Erzbischof von Bologna, Giacomo della Chiesa, die notwendige Zweidrittelmehrheit – mit exakt der Mindestanzahl an Stimmen. Die Regeln besagen, dass ein Kandidat sich nicht selbst wählen darf. Offenkundig misstrauten die Konservativen dem Erzbischof: Sie ließen die Stimmzettel überprüfen – ein Affront. Jedenfalls erhärtete sich der Verdacht nicht und della Chiesa konnte als Benedikt XV. sein Pontifikat antreten. 

Die letzten Konklaven verliefen rasch und ohne (an die Öffentlichkeit gelangte) Skandale: 2005 wurde Papst Benedikt XVI. bereits im vierten Wahlgang bestimmt, Franziskus I. 2013 im fünften.

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