Mit Stress-Strategien hat das „Sommerhaus der Stars“ die Liebe der teilnehmenden Paare getestet. Ein Psychologe verrät, was wir daraus für unsere eigene Beziehung lernen können.
Der Schauplatz für ihren Beziehungstest ist ein verdrecktes Ferienhaus in der Bocholter Einöde. Tote Tiere an der Wand, Klappsofas, ein Badezimmer ohne Tür, viel Drama und Geschrei. Acht Paare ziehen jährlich ins Sommerhaus der Stars, weitere werden als Nachrücker eingewechselt. Manche sind fürs Schauspielern oder Modeln bekannt, andere nur für Krawall und Skandale.
Die Paare spielen um ihren Verbleib und wählen sich gegenseitig aus dem Haus. Die meisten von ihnen fürchten zwar keinen Streit, aber dafür den sogenannten Sommerhaus-Fluch.
Dieser Mythos geht so: Paare, die zusammen ins Sommerhaus ziehen, kommen sehr wahrscheinlich getrennt heraus. Zumindest ist die Liste der Promis lang, die sich während oder nach der Ausstrahlung trennten: Helena Fürst und Ennesto Monté, Jennifer Lange und Andrej Mangold, aber auch gemeinsame Gewinner der Show wie Elena Miras und Mike Heiter oder Antonia Hemmer und Patrick Romer. Ein Paar, Eric Sindermann und Katharina Hambüchen, trennte sich sogar noch in der Sendung. Was machen die Macher der Show, um Beziehungen ins Wanken zu bringen? Und können wir daraus etwas fürs echte Leben lernen?
Falle 1 im Sommerhaus: Kein Freiraum, kaum Beschäftigung
Das Konzept von „Das Sommerhaus der Stars“ ist simpel: Es gibt kaum Rückzugsmöglichkeit, keine Privatsphäre. Allein diese Bedingungen seien für viele Paare schon eine Herausforderung, sagt Christian Hemschemeier. Er ist Psychologe und Paartherapeut und analysiert auch TV-Sendungen. „Je höher das Stresslevel ist, desto dysfunktionaler werden Beziehungen“, so Hemschemeier. Zum Stress gehören das ständige Beobachten untereinander und keine Beschäftigungsmöglichkeiten außer gemeinsames Kochen, Essen, Zähneputzen und Trinken. „Es fließt viel Alkohol in diesem Format, und der baut Hemmschwellen ab.“
Die Dynamik im Haus wird zusätzlich durch das Rauswählen angeheizt. Da am Ende nur ein Paar die 50.000 Euro Preisgeld gewinnen kann, kommt es zwangsläufig zu Allianzen, Intrigen und Misstrauen. Der Druck, sich vor Nominierungen zu schützen ist groß, und ständig wird gerätselt: Wer ist Freund, wer ist Feind? „Diese Art von Wettbewerb führt häufig zu emotionalen Ausbrüchen und Streits, die man im normalen Leben nicht hat und die auch die eigene Beziehung belasten, weil man immer als Zweierteam auftritt“, sagt der Experte.
Gloria Glumac („Temptation Island“, „Prominent getrennt“) brachte ins Sommerhaus ihren neuen Freund Michael mit
Eine weitere Belastungsprobe sind die Spiele. Dabei müssen die Paare etwa in schwindelerregender Höhe den Begriff „Samenstau“ pantomimisch darstellen oder auf zwei aneinander geketteten Kinderrädern synchron über einen schmalen Pfad sausen und dabei Fragen beantworten wie „Wenn meine Mutter der Mutter deiner Mutter einen Kuchen backt, wer bekommt dann einen Kuchen?“.
Falle 2: Wie Paartherapie, nur rückwärts
Es gibt fast kein Spiel, bei dem sich nicht mindestens ein Paar in Grund und Boden schreit – und nicht so, wie es alte Ehepaare an der Bäckertheke tun. Dafür gibt es eine Erklärung.
„Die Spiele sind darauf ausgelegt, Beziehungen zu destabilisieren“, sagt Hemschemeier. Die Spiele seien wie eine Paartherapie rückwärts. Statt Vertrauen zu stärken, gehe es um Schuldzuweisungen, statt zusammenzuhalten, führen sich Pärchen gegenseitig vor. „Der Druck, gewinnen zu müssen, baut Empathie ab, wenn einer von beiden versagt“, so der Experte. In den Folgen sähe man einen großen Ausbruch an „verbaler Gewalt.“ Paare betiteln sich gegenseitig als dumm, als „Lusche“ und Schlimmeres, klugscheißen, versuchen sich durch Aufgaben zu peitschen und haben keinerlei Verständnis dafür, wenn einer nicht mehr kann. Jedes Paar, das schon mal zusammen ein Ikea-Regal aufgebaut hat, wird das kennen – natürlich nur im Ansatz.
Falle 3: Toxische Rollenbilder und Vergleichshorror
Viele Spiele sind durch Höhenängste erschwert, ein Wettkampf gegen die Uhr, oder durch einen Rollentausch beeinflusst. In einer Challenge etwa halten die Paare ein überdimensionales Brett über Bänder in der Luft und müssen Kugeln in Lösungsbuchstaben hantieren. Für die Männer ist die Aufhängung jedoch höher und offenbar auch schwerer zu halten. „Wenn sich ein Typ über Stärke definiert und seine Rolle nicht erfüllen kann, weil das Spiel absichtlich zu schwer ist, und er sich dann vor seiner Partnerin rechtfertigen muss, kracht es richtig“, weiß der Experte. Und über Stärke definieren sich in den häufig doch recht klassischen Rollenverständnissen der Promipaare viele Männer.
Dazu kommt: Während sich im Sommerhaus leidenschaftlich gefetzt wird, flimmert jeder Konflikt und jedes Fehlverhalten bei Millionen Menschen über den Bildschirm. Das wissen auch die Teilnehmer. „In dieser Sendung vergleicht man ständig die eigene Beziehungsdynamik, und davon gibt es kein Entkommen“, sagt Psychologe Christian Hemschemeier. Während der Sendung kommentieren die Promis ungefragt die Beziehungen der anderen, nach der Ausstrahlung übernimmt das die Internetwelt. Reflexion? Mediation? Keine Chance. „Im Grunde ist das gesamte Sendungskonzept ein Fluch, der über die Paare kommt, und den sie auch nach der Produktion kaum loswerden können“, attestiert Hemschemeier. In der Wiedersehensshow (online verfügbar ab 19.11. auf RTL+) wird sich zeigen, welches Paar diesem Fluch erliegt.