Nach fast einem Vierteljahrhundert kehrt Regisseur Ridley Scott ins antike Rom zurück, um die Geschichte seines Filmklassikers „Gladiator“ weiterzuerzählen. Ein Wagnis, das sich gelohnt hat.
Das Monumentalepos „Gladiator“ zählt zu den größten Kinohits des Jahres 2000 und gilt neben „Alien“, „Blade Runner“ und „Thelma & Louise“ als Klassiker in der Filmografie der britischen Regie-Legende Ridley Scott. Mit fünf Oscars ausgezeichnet, darunter als Bester Film, belebte „Gladiator“ das Genre Historiendrama neu. Pläne für eine Fortsetzung gab es schon seit den frühen 2000er Jahren. Erst jetzt, fast ein Vierteljahrhundert später, kommt „Gladiator II“ in die Kinos.
Einen beliebten Filmklassiker fortzusetzen, ist ein Wagnis. Angst vor dem Erwartungsdruck angesichts des schier übermächtigen Originals kennt ein alter Hase wie Ridley Scott offenbar nicht. „Druck hat man immer, und das ist etwas Gutes“, sagte der 86-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in London. „Ich bin vor jedem Film nervös. Denn jeder Film ist wie eine Wildnis mit einem Lego-Bausatz: Man versucht, die Teile zusammenzusetzen und hofft, dass am Ende alles Sinn ergibt.“
Geschichte spielt 16 Jahre nach „Gladiator“
Der Plot von „Gladiator II“ spielt 16 Jahre nach den Ereignissen von „Gladiator“ und dreht sich um Lucius (Paul Mescal), den Sohn des getöteten Maximus, den Crowe im ersten Film spielte. Als Kind wurde Lucius von seiner Mutter Lucilla (Connie Nielsen) aus Rom weggeschickt, weil sie um seine Sicherheit fürchtete. Im Königreich Numidien, dem heutigen Nordafrika, hat er eine neue Heimat und seine große Liebe gefunden.
Beim Überfall der von General Marcus Acacius (Pedro Pascal) angeführten Römer auf Numidien wird Lucius‘ Frau allerdings getötet. Er wird gefangen genommen und zurück nach Rom verschleppt, wo nun die fiesen Zwillingskaiser Geta (Joseph Quinn) und Caracalla (Fred Hechinger) herrschen. Lucius wird Sklave des zwielichtigen Macrinus (Denzel Washington), der sein Potenzial erkennt und ihn in die Arena schickt.
Paul Mescal auf den Spuren von Russell Crowe
Der Ire Paul Mescal, der mit der Serie „Normal People“ und dem Drama „All Of Us Strangers“ für Furore sorgte, macht – nach monatelangem Fitnessprogramm – eine gute Figur als Lucius. „Wenn ich eine Version von Maximus spielen sollte, wäre das eine zu große Herausforderung gewesen“, sagte er im dpa-Gespräch. „Das hätte ich nicht gemacht, weil Russell ihn so brillant verkörpert hat. Aber diese Geschichte geht mit einem ganz anderen Helden weiter, der ganz andere Beweggründe hat.“
Angetrieben wird Lucius vor allem vom Wunsch nach Rache und der Wut auf Marcus Acacius, den er für den Tod seiner Frau verantwortlich macht. Dass der römische General mit Lucius‘ Mutter liiert ist, macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Und im alten Rom, wo politische Intrigen und Verschwörungen an der Tagesordnung sind, ist ohnehin nicht jeder, was er zu sein scheint.
Haie im Kolosseum
Wie sein Vorgänger ist „Gladiator II“ visuell imposant, aber ein wenig düsterer. Der Verfall ist spürbar. Erneut ließ Ridley Scott das antike Rom nachbauen, um die Kulissen so realistisch wie möglich zu halten und den Einsatz visueller Effekte aufs Nötigste zu beschränken. Das hat sich ausgezahlt. „Man hatte das Gefühl, man sei dort, vor allem, wenn die Straßen voller Menschen waren“, schwärmte Denzel Washington im dpa-Interview. „Wir konnten durch die Straßen spazieren, der Staub war echt.“
Dass Scott und sein Team die Fortsetzung noch etwas spektakulärer machen wollten, ist kein Geheimnis. Höhepunkt ist eine Wasserschlacht im gefluteten Kolosseum mit zwei Galeeren, die von Haien umkreist werden. Tatsächlich wurde das Kolosseum in der Antike für solche Spektakel geflutet. Die Haie hingegen sind eine unterhaltsame Ergänzung, die der Fantasie der Filmemacher zu verdanken ist. Überhaupt sollte man „Gladiator II“ historisch nicht allzu genau nehmen.
Spannende Story, vielschichtige Charaktere
Auch die Vielzahl an spannenden und facettenreichen Figuren macht „Gladiator II“ so unterhaltsam. Der alterslose Denzel Washington ist herrlich als manipulativer Macrinus. „Stranger Things“-Star Joseph Quinn erweist sich als ausgesprochen wandlungsfähig. Heimlicher Star des Films ist jedoch Fred Herchinger, der seinem Filmbruder als unberechenbarer, eifersüchtiger Caracalla die Show stiehlt. Das Duo macht Commodus (Joaquin Phoenix) aus dem 2000er-Film alle Ehre.
Der Soundtrack von Harry Gregson-Williams, der Motive der ikonischen „Gladiator“-Filmmusik von seinem Kumpel Hans Zimmer übernommen hat, ist mitreißend. Das wieder von Lisa Gerrard gesungene Thema („Now We Are Free“) sorgt für nostalgische Momente. Zwar erreicht „Gladiator II“ nicht die emotionale Tiefe des Vorgängers. Aber das Sequel, das hervorragend als alleinstehender Film funktioniert, ist sehr unterhaltsam. Die zweieinhalb Stunden sind schnell vorbei. Genau genommen geht es am Ende etwas zu schnell.
In Hollywood wurden zuletzt Stimmen laut, dass der Film bei den Oscars im kommenden Jahr ins Rennen gehen und Scott nach drei Nominierungen endlich seine erste Goldstatue als Bester Regisseur bescheren könnte. Fest steht schon jetzt: Mit 80 Jahren hat sich der rastlose Ridley Scott, der derzeit an einem Biopic über die Bee Gees arbeitet, sein cineastisches Gespür bewahrt. „Gladiator II“ ist großes Kino.