Lange war Komasaufen ein beunruhigender Trend unter Jugendlichen und Notaufnahmen mit vielen Alkoholvergiftungen beschäftigt. In den Kliniken gehen die Zahlen nun zurück. Woran liegt das?
In den Notaufnahmen in Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr erneut weniger Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren wegen einer Alkoholvergiftung behandelt worden. Nach Angaben der Krankenkasse DAK, die sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes beruft, wurden 2023 in den Kliniken im Südwesten 1027 sogenannte jugendliche Komasäufer behandelt – rund ein Viertel weniger als noch 2022, so die Kasse. Vor allem bei Jungen ging die Zahl der Komasäufer der Statistik zufolge erneut deutlich zurück.
Auch in den vergangenen Jahren war die Zahl der Behandlungen von Kindern und Jugendlichen wegen eines Vollrausches gesunken. Nach Angaben der Krankenkasse AOK ging bei deren Versicherten bis 19 Jahren die Zahl der Alkoholvergiftungen innerhalb von fünf Jahren kontinuierlich zurück. Zwischen 2018 und 2022 gab es jährlich rund 12,35 Prozent weniger Fälle.
Abnehmende Akzeptanz für exzessives Saufen
Die Gründe für den Rückgang an Alkoholvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen sind aus Sicht von DAK-Landeschef Siegfried Euerle Präventionsmaßnahmen, verstärkte Aufklärung und veränderte Trinkgewohnheiten. „Auch die stärkere Thematisierung von Gesundheitsrisiken durch Alkohol sowie ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein unter Jugendlichen haben zu einer abnehmenden Akzeptanz exzessiven Alkoholkonsums geführt“, sagte Euerle. Die Zahlen seien aber kein Grund für eine Entwarnung. „Jeder Jugendliche mit einer akuten Alkoholvergiftung ist einer zu viel“, so der Krankenkassenchef.
Auch am Klinikum Stuttgart nimmt man einen Rückgang an Alkoholvergiftungen wahr. „Der Unterschied zum Zustand vor zehn bis 15 Jahren ist groß“, sagte Friedrich Reichert, ärztlicher Leiter der Kindernotaufnahme des Olgahospitals, das laut Klinik das größte Kinderkrankenhaus Deutschlands ist. Habe man damals noch jedes Wochenende vier bis sechs Teenager mit Alkoholvergiftung versorgt, so seien es heute nur noch ein bis zwei pro Monat.
Den Rückgang führt Reichert vor allem auf die sinkende Zahl an Alkohol-Ausrutschern zurück. Nach wie vor gebe es Jugendliche, die auf einem schwierigen Weg seien und immer wieder in der Notaufnahme landeten. Stark zurückgegangen sei aber die Zahl der jugendlichen Komasäufer, bei denen der Krankenhausaufenthalt eine einmalige Sache sei. „Das ist drastisch zurückgegangen und gilt heute nicht mehr als cool“, sagte Reichert.
Studie sieht allerdings Anstieg des Konsums
Während die Krankenhauseinweisungen zurückgehen, sieht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beim generellen Alkoholkonsum wieder einen Anstieg. Eine Studie der Bundeszentrale hatte erst kürzlich ergeben, dass seit dem Ende der Corona-Pandemie wieder mehr Jugendliche in Deutschland exzessiv Alkohol konsumieren. Ein solches „Rauschtrinken“ zeigte sich nun bei 46,2 Prozent der Männer zwischen 18 und 25 Jahren, wie neue Umfragedaten von 2023 ergaben. Damit sei nach einem deutlichen Rückgang auf 37,8 Prozent 2021 fast wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Unter jungen Frauen von 18 bis 25 stieg die Verbreitung des „Rauschtrinkens“ demnach von 19,0 auf 25,1 Prozent. Der vorherige Rückgang sei vermutlich auf eingeschränkte Möglichkeiten des Alkoholkonsums in der Corona-Zeit zurückzuführen gewesen.
Allerdings ist regelmäßiges Alkohol trinken laut der Studie bei jungen Erwachsenen so unbeliebt wie nie. Dass sie in den zwölf Monaten vor der Befragung mindestens einmal pro Woche Alkohol getrunken haben, gaben nun 38,8 Prozent der 18- bis 25-jährigen Männer an – bei Frauen waren es 18,2 Prozent. 2004 lag der Wert bei den Männern noch bei 59 Prozent und bei den Frauen bei 27,7 Prozent.
Die BZgA definiert den Konsum von mindestens fünf alkoholischen Getränken bei etwa einer Party als Rauschtrinken. Nach früheren Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen wird in Deutschland immer noch deutlich mehr Alkohol getrunken als im weltweiten Durchschnitt. Alkohol als vermeintliches Kulturgut sei gesellschaftlich breit akzeptiert.