Reform im Fußball: Wie Ballkinder das Spiel beeinflussen – und warum damit bald Schluss sein könnte

Im Fußball stellen gastgebende Vereine die Ballkinder. Vorfälle aus der Vergangenheit zeigen: Sie tragen zum Heimvorteil bei. Doch eine neue Regel könnte das nun ändern.

In das Spielgeschehen greifen im Fußball hauptsächlich die 22 Spieler auf dem Platz und der Schiedsrichter ein. Aber auch Ballkinder können eine Partie beeinflussen – indem sie etwa den Ersatzball besonders schnell oder langsam herausgeben. In manchen Spielen hat das schon zu Toren geführt.

Da die heimischen Teams die Ballkinder bestimmen dürfen, agieren diese meist auch zu Gunsten der Gastgeber. Daher gilt in der Premier League seit März 2024 eine neue Regel, die gleiche Voraussetzungen schaffen soll. Den Spielern werden die Ersatzbälle nicht mehr zugeworfen, sondern sie holen sich diese selbst. Ballkinder legen die Bälle dafür auf Hütchen am Spielfeldrand. Die italienische Serie A setzt ein ähnliches System um. Wie ist der Stand in Deutschland?

Erste Bundesligisten verwenden das Konzept freiwillig

Bayer Leverkusen, Holstein Kiel, TSG Hoffenheim und FC Augsburg orientieren sich bereits an den Vorbildern aus England und Italien. In den Stadien der Bundesligisten sind nicht alle Ersatzbälle auf Hütchen platziert, manchmal liegen sie lediglich im Seitenaus herum. Das Prinzip ist aber das gleiche.

Bislang ist das Vorgehen für deutsche Vereine keine Pflicht. Laut der „Sportschau“ ist eine ligaweite Umsetzung aktuell auch nicht geplant. Auf Anfrage habe die DFL lediglich mitgeteilt, dass sie sich „mit dem Thema beschäftige“. Abgesehen davon ist es aber fraglich, ob neutralere Ballkinder wirklich für ein faireres Spiel sorgen.

Unsportliches Verhalten lässt sich nicht verhindern

Wenn Spieler das Tempo erhöhen oder Zeit schinden wollen, finden sie auch ohne Ballkinder einen Weg. Sie können sich die Ersatzbälle auf den Hütchen oder am Seitenrand für einen Einwurf schnell schnappen und so etwa einen Konter einleiten. Oder sie verlangsamen ihren Gang in Richtung Seitenaus und holen sich den Ersatzball in aller Ruhe.

Das Konzept lässt sich aber auch ausnutzen und schließt unsportliches Verhalten nicht aus. Die „Sportschau“ nennt eine Szene des Topspiels zwischen Bayer Leverkusen und dem VfB Stuttgart (0:0) am vergangenen Freitag als Beispiel: Der Stuttgarter Enzo Millot kickte einen der herumliegenden Ersatzbälle als zweiten Ball aufs Spielfeld, um eine kurze Unterbrechung zu erzwingen. Die Gelbe Karte nahm er dafür in Kauf. Mit Ballkindern hätte Millot die Spielfortsetzung in der Situation nicht verzögern können.

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Uefa bleibt vorerst bei altem System

In internationalen Wettbewerben wie der Champions League lässt die Uefa den Vereinen keine Wahl – und verlangt weiterhin das klassische System mit Ballkindern. Dabei zeigte sich auch in der Königsklasse bereits, dass Ballkinder ein Spiel beeinflussen können.

Ein besonders bekanntes Beispiel ereignete sich Ende 2019. Beim Champions-League-Vorrundenspiel zwischen Tottenham Hotspur und Olympiakos Piräus (4:2) warf ein Balljunge dem Spieler Aurier den Ersatzball so schnell zu, dass es zwischen dessen Einwurf und dem anschließenden Tor von Harry Kane (heute FC Bayern) nur einen weiteren Pass brauchte.

Gleich nach dem Treffer bedankte sich der damalige Coach José Mourinho bei dem Balljungen mit einem Handschlag – und lud ihn später zum Essen mit dem gesamten Team ein.

Tottenham Balljunge

Fußballprofis und Balljungen geraten aneinander

Es hat in der Vergangenheit aber auch unschöne Szenen zwischen Spielern und Ballkindern gegeben. Ende letzten Jahres, als die Premier League noch das alte Prinzip verwendete, hat der deutsche Torwart Bernd Leno für eine Aufregerszene mit einem Balljungen gesorgt. Beim 0:3 seines Vereins FC Fulham beim AFC Bournemouth nahm Leno dem Jungen den Ball harsch aus der Hand und berührte ihn auch dabei. Immerhin entschuldigte sich der Keeper danach.

Knapp zwei Monate zuvor ließ sich der damalige Union-Berlin-Stürmer Sheraldo Becker beim 0:2 in Bremen zu einer unsportlichen Aktion gegen einen Balljungen hinreißen. Weil der Jugendliche ihm den Ball bei einem Einwurf seiner Meinung nach offenbar zu langsam gegeben hatte, schubste Becker den Balljungen einfach um, wie auf TV-Bildern zu sehen war.

Einerseits ließen sich solche Szenen mit dem neuen Konzept vermeiden. Andererseits wird das Spiel dadurch nicht zwingend fairer. Das Prinzip kann sogar ausgenutzt werden. Denn das Tempo einer Partie können Spieler auch ohne Ballkinder verschleppen.

Quellen:Sportschau„, mit DPA-Material