Opposition: Das laute Schweigen der AfD zum Ampel-Aus

Für die AfD müsste das Ampel-Aus ein Grund zum Feiern sein. Doch seit dem Koalitionsbruch ist sie auffällig still. Wie geht die Partei mit der Situation um, die sie immer gefordert hat?

Über Jahre hallte ein Schlachtruf über die Parteiveranstaltungen der AfD: „Die Ampel muss weg!“ Das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP war für die Rechtsaußen-Partei der Ursprung allen Übels: Zu links, zu woke, zu viele Waffen an die Ukraine, zu teure Energiekosten, zu hohe Steuern, zu viele Arbeitslose, zu viel Arbeitslosengeld, zu schwache Wirtschaft, zu harte Corona-Maßnahmen, zu viele Geflüchtete, zu wenig deutsche Kultur … Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. 

Eigentlich müsste die AfD die Regierung jetzt vor sich hertreiben, doch das machen andere

Jetzt ist es so weit: Nach dem Rausschmiss von Christian Lindner als Finanzminister ist die Ampel am Ende. Und die meisten Beobachter des politischen Berlins waren sich einig: Vom Zusammenbruch der Regierung werden die Populisten profitieren, vor allem die AfD. Eigentlich müssten also seit Tagen die Sektkorken in der Parteizentrale knallen. Eigentlich müsste die Partei die (Noch-)Regierung vor sich hertreiben. Mit dem Tenor: Jetzt ist unsere große Stunde. „Deutschland zuerst!“, ein Hauch Donald Trump, der durch die Hauptstadt weht. Politisches Klima an Schulen Rechtsruck Interview 06.08

Doch es ist bemerkenswert still um die sonst so laute Partei. Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla tun zwar ihr Menschenmögliches, um in praktisch allen Sendungen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks das Ampel-Aus zu kommentieren. Doch mehr als ein trotziges „Wir haben es ja immer gefordert“, kommt nicht herum bei der zweitgrößten Oppositionspartei des Bundestags. Die Ampel ist Geschichte und die AfD wirkt ratlos, wie sie mit dem umgehen soll, das sie immer gefordert hat.

Erste Rufe nach einer Koalition mit der Union werden laut. Die AfD spürt vermutlich genauso wie Friedrich Merz, dass es gerade der CDU-Chef ist, der die Regierung vor sich her treibt. Merz hat sich als Oppositionsführer in die erste Reihe geschoben. Er ist es jetzt, der die großen Forderungen stellt.

Der Ruf nach Scholz‘ sofortiger Vertrauensfrage und baldigen Neuwahlen hätte genauso von der AfD kommen können. Aber der CDU-Chef hatte das bessere Timing.

Die AfD hat ihren einzigen Standpunkt verloren: dagegen zu sein

Damit hat er die AfD offenkundig auf Eis gelegt. Den Ruf nach schnellen Neuwahlen haben die Populismus nicht mehr exklusiv, das fordern inzwischen praktisch alle, die nicht selbst noch in Regierungsverantwortung sind. Damit kann die AfD also nicht punkten. Und so steckt sie in einem Zwiespalt: Einerseits formulieren einige AfD-Mitglieder einen Regierungsanspruch und fordern, dass die Union nun die Brandmauer einreißen solle, um mit ihr zu koalieren. Mit der Abwahl der Ampel sei der klare Wählerwille nach einem „bürgerlichen Bündnis“ aus CDU und AfD zu erkennen. 

Andererseits gehen Größen der Partei wie der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann und der in Ungnade gefallene Maximilian Krah auf Konfrontation mit den Christdemokraten, weil sich Merz und seine Union wohl eher gen Grüne oder SPD orientieren werden. „Wer CDU wählt, um die Grünen abzusägen, bekommt wieder eine Grüne Regierung“, so der Tenor.Rechtes Netzwerktreffen Potsdam Chronik14:19

Der populistischen Partei wirkt unentschlossen, wie man mit der Situation umgehen soll und hat so ihren einzigen Standpunkt verloren: Sie ist vom Standpunkt des vermeintlich einzigen klaren Gegenpols zur Regierung abgerückt. Die Alternative zur Ampel, das ist momentan Friedrich Merz, nicht Alice Weidel.

Auch nach nächster Wahl wird AfD in Opposition landen

Für Merz ist das eine sehr komfortable Lage. Er gräbt mit seinem Timing und den guten Umfragewerten im Rücken den Populisten das Wasser ab. Die Maximalforderung nach der sofortigen Neuwahlen kann auch die AfD nicht überbieten.

Für die Rechtspopulisten ist es eine komplizierte Situation. Sie wollen unbedingt an die Macht. Doch betteln sie bei der Union zu sehr um eine Juniorpartnerschaft in einer Koalition und kassieren eine Absage von Merz, macht sie das unglaubwürdig. Das Narrativ der Alternative zu den „Kartellparteien“ wäre dahin. Aber bleibt sie bei ihrer konfrontativen Gangart und beschimpft weiter die jeweiligen Regierungsparteien, bleibt auch die Wahrscheinlichkeit auf Koalitionen mit eben jenen bei null. 

So wird es wahrscheinlich Friedrich Merz sein, der mittelfristig über den Weg der AfD entscheiden wird. Steht die Brandmauer weiterhin, wird er vermutlich ihr nächstes Feindbild. Nach „Merkel muss Weg“ und „Ampel muss weg“ könnte es von rechtsaußen also bald heißen „Merz muss weg“.