Martin Richenhagen: Spitzenmanager über Trump: „Er hat mir eine Dose Haarspray geschenkt“

Der deutsch-amerikanische Manager Martin Richenhagen über wirtschaftliche Folgen der US-Wahl – und skurrile Begegnungen mit dem nächsten Präsidenten von Amerika.

Martin Richenhagen, 72, hat es als einer von wenigen Deutschen in der amerikanischen Wirtschaft bis ganz nach oben geschafft. Bis 2020 stand er an der Spitze des Landmaschinenherstellers AGCO. Er stammt aus Köln und sitzt heute in den Aufsichtsräten mehrerer deutscher Unternehmen, zum Beispiel bei Daimler Truck und dem Motorsägenhersteller Stihl. Den Wahlabend hat er zu Hause in Georgia vor dem Fernseher verbracht – und wurde nach Deutschland in die Talkshow „Maischberger“ zugeschaltet.

Capital: Herr Richenhagen, gestern Abend haben Sie in der Talkshow „Maischberger“ noch gut gelaunt prophezeit, dass Donald Trump nicht der nächste US-Präsident wird. Seit der Wahl 2004 hätten Sie mit Ihren Vorhersagen nie falsch gelegen. Dieses Mal nun aber doch. Wie geht es Ihnen heute mit dem Ergebnis? 
MARTIN RICHENHAGEN: Prima. Es war ja bekannt, dass es sehr knapp werden würde. Ich hatte nur eine andere Wahrnehmung, weil ich die Situation mit der letzten Wahl verglichen und registriert habe, wer sich alles öffentlich von Trump distanziert hat. Das waren viele Republikaner, außerdem Schauspieler und Musiker. Ich hatte auch bei meinen Gesprächen mit Freunden und Bekannten den Eindruck, dass die Leute wesentlich kritischer Trump gegenüber waren. Was wir vermutlich alle unterschätzt haben, waren die Themen Inflation und Lebenshaltungskosten. Ich glaube, auch die Tatsache, dass Kamala Harris eine schwarze Frau ist, sich aber die Afroamerikaner nicht richtig mit ihr identifiziert haben, spielte eine Rolle. 

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Sie haben sich häufig sehr deutlich und kritisch über Trump geäußert. Jetzt wird er der nächste Präsident der Vereinigten Staaten. Wie finden Sie das?
Das finde ich natürlich nicht gut. Aber auf der anderen Seite sagt der Kölner: Et kütt, wie et kütt. Es kommt, wie es kommt. Das Ergebnis muss man jetzt akzeptieren. Amerika ist eine große, alte Demokratie. Der Wähler hat gesprochen, und jedes Land hat die Regierung, die es verdient hat. Das gilt auch für Deutschland.

Dort könnte die Ampel kurz dem Aus stehen. Aber zurück in die USA und zu Donald Trump. Sie sind ihm mehrmals persönlich begegnet. 
Ich traf ihn zum ersten Mal, als er noch nicht Präsident war. Ich nahm ihn damals als einen etwas seltsamen, kontaktfreudigen Angeber wahr. Es war an einem Flughafen in den USA. Ich war dort mit dem Firmenflieger gelandet, er mit seinem riesigen Jumbojet, auf dem Trump steht. Er kam auf mich zu und stellte sich vor. Das fand ich erstmal nett. Dann fragte er, ob ich beeindruckt sei von seinem Flugzeug. Eigentlich wollte er damit sagen: Meiner ist größer als deiner. Er zeigte mir das Flugzeug auch von innen. Es sah furchtbar aus, alles war roter Samt und Gold. Dort hingen jede Menge Ölgemälde, von denen er behauptete, es seien echte französische und italienische klassische Werke. Ich sagte, ich käme aus einem anderen Geschäft und unsere Kunden kämen nie auf die Idee, in ihre Mähdrescher Ölgemälde zu hängen. Ein Flugzeug sei für den Transport da und kein Museum. Er reagierte, indem er mich anguckte und sagte: Ihre Frisur ist aber scheiße.

War es dieselbe wie heute? 
Ja, ich habe mit Mitte 20 meine Haare verloren. Dann erklärte Trump mir im Detail, wie er seine Haare von rechts nach links und von vorne nach hinten kämmt und schenkte mir eine große Dose Haarspray

Aber Sie hatten keine Haare. Was sollten Sie denn mit dem Haarspray?
Sein Vorschlag war: Ich lasse sie wachsen und kämme sie mir dann wie er. Unglücklicherweise habe ich die Dose sofort weggeschmissen. Später hätten Trump-Fans sicher hohe Summen dafür gezahlt. Später lernte ich ihn als Präsident kennen. Die gute Nachricht ist: Er ist sehr authentisch. Das ist aber gleichzeitig auch die schlechte Nachricht, weil der im kleinen Kreis genauso einen Blödsinn erzählt wie im großen Kreis. Ich dachte, dass er als Dampfplauderer alles Mögliche in die Welt sendet und wenn man ihn dann trifft, ist alles fundierter. Das war aber nicht so.

In Deutschland ist das Entsetzen bei vielen groß, dass ein verurteilter Straftäter zum Präsidenten gewählt wurde. Sie leben schon lange in den USA, sind seit 2010 amerikanischer Staatsbürger. Können Sie das den Deutschen erklären? 
Nein, ich kann das nicht. Das Einzige, was ich mir erklären kann, ist: Die Amerikaner hatten von der demokratischen Regierung die Schnauze voll und haben sich bewusst und mehrheitlich für einen Wechsel entschieden. Von Trump erwarten sie jetzt große Dinge. Innenpolitisch wird es wohl Steuererleichterungen geben. Er hat alle möglichen Modelle rausposaunt. Eins war: Er schafft die Einkommenssteuer ab und stattdessen gibt es eine erhöhte Mehrwertsteuer. Aber ob das kommt, weiß man bei ihm ja nie.

Welche Folgen erwarten Sie für die amerikanische und die deutsche Wirtschaft? 
Eigentlich braucht die Wirtschaft nicht unbedingt die Politik, besonders die amerikanische. Hier wird nicht immer nach Hilfe von der Politik gerufen, wenn etwas nicht funktioniert, sondern die amerikanischen Unternehmer sind stolz darauf, dass sie die Dinge selbst bewältigen. Es wird volatiler werden, das ist für die Wirtschaft schlecht. Für die deutschen Importe in die USA wird es unfreundlicher.

Sie sprechen von den Importzöllen, die Trump angekündigt hat. 
Sein besonderes Hobby ist ja die deutsche Automobilindustrie. Aber wenn er auf einen Porsche noch 20 Prozent Importzoll draufhaut, werden die Leute im Luxussegment trotzdem weiter diese Autos kaufen. Das macht für die keinen großen Unterschied. Ich glaube also nicht, dass das eine Riesenwirkung hat. Die deutschen Autos, die hier gefahren und nicht in den USA hergestellt werden, sind ja im wesentlichen Luxusautos. Ich habe mit Trump in seiner ersten Amtszeit über das Thema gesprochen. Da hatte er schon mal so eine Idee – und wusste nicht, dass BMW der größte Exporteur von Autos aus den USA in die Welt ist. In Greenville, North Carolina, stellt BMW alle SUVs für die Welt her. Bei dem Thema wird es aber sicherlich das eine oder andere Knirschen im Getriebe geben.

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Trump hat außerdem angekündigt, deutsche Autofirmen zu amerikanischen Autofirmen zu machen, indem er sie mit niedrigen Steuern und Energiekosten in die USA lockt. Wie ernst nehmen Sie das? 
Je nachdem, wie vorteilhaft die Bedingungen hier und wie schlecht sie in Deutschland sind, werden sich deutsche Hersteller natürlich überlegen, ob sie in Deutschland investieren oder das nicht lieber doch in den USA machen. Vieles sind aber auch nur große Sprüche. Während meiner Zeit bei AGCO führte Trump Zölle für chinesische Landmaschinen ein. Wir hatten ein nagelneues Werk in China gebaut und exportierten von dort Traktoren in die USA. Sie wurden mit Zöllen von 20 Prozent belegt, somit war der Kostenvorteil fast weg. Wir haben die Traktoren dann auseinandergebaut, in Containern nach Brasilien gekarrt, wo sie zusammengebaut und dann in die USA transportiert wurden. Dadurch ist nicht ein Arbeitsplatz in den USA entstanden. Wir haben das alles mit den verantwortlichen Ministerien besprochen. Die Schaufensterlösung hat Trump ausgereicht. Ich könnte mir vorstellen, dass es in Zukunft oft so ähnlich laufen wird. 

Die Sorgen in Deutschland sind jedoch groß. 68 Prozent der Deutschen fürchten laut einer Forsa-Umfrage, dass Trumps Wahlsieg schlecht für die deutsche Wirtschaft ist. Zu Recht? 
Gleichzeitig wissen wir aber, dass 90 Prozent der Deutschen gar keine Ahnung haben. Die Deutschen sind ja immer extrem gut in Pessimismus. Ich würde vorschlagen, Augenmaß walten zu lassen. Das Problem der deutschen Wirtschaft ist nicht Trump, sondern das Problem der deutschen Wirtschaft sind Deutschland und die deutsche Regierung. Bei dieser Wirtschaftspolitik ist Trump unwichtig. Man muss abwarten, was kommt. Möglicherweise werden französischer Käse und Rotwein teurer. Ich weiß aber nicht, ob der deutsche Maschinenbau Angst haben muss. Die hervorragenden deutschen Maschinen sind den amerikanischen technologisch weit überlegen. Die großen deutschen Unternehmen, aber auch die mittelständischen, haben sich schon längst eingerichtet und produzieren hier.  

Eine letzte Frage zu Ihnen persönlich: Sie haben noch gestern Abend Donald Trump einen „verurteilten kriminellen Lügner“ und „Clown“ genannt. Werden Sie in Zukunft mit Ihrer Kritik etwas zurückhaltender sein?
Nein, das habe ich schon oft gesagt, nicht nur in Deutschland, sondern auch hier in den USA. Das war auch der Grund, warum ich dieses Mal ein bisschen optimistischer war. Früher gab es immer Stirnrunzeln, wenn ich so etwas gesagt habe. Bei diesen Wahlen hat kaum einer widersprochen. Trump äußert ja Dinge, die wäre in Deutschland vermutlich selbst bei der AfD nicht denkbar, etwa dass Einwanderer den Amerikanern die Haustiere wegessen. Da muss man sich mal überlegen. Ich versuche ja auch immer, das so ein bisschen salopp auszudrücken. Man könnte viel schlimmere Dinge sagen, aber manches ist ja auch eklig. Es wurde ja zum Beispiel auch glaubhaft berichtet, dass bei seinem Gerichtsprozess keiner neben Trump sitzen wollte, selbst seine eigenen Anwälte nicht, weil er dauernd gefurzt hat. Und er scheint ein Gedächtnisproblem zu haben. Es gibt Leute, die behaupten, Anzeichen für Demenz bei ihm erkannt zu haben, was ich nicht beurteilen kann. Also insgesamt habe ich es eher nett ausgedrückt. Er ist eben etwas clownesk.

Haben Sie Kamala Harris gewählt? 
Ich habe jedenfalls noch nie Donald Trump gewählt. Das ist eine geheime Wahl. Mehr will ich dazu nicht sagen.

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