Bevölkerungsstatistik: Verhärtete Fronten im Streit über Einwohnerzahl

Die Stadt Hanau hält die laut Zensus ermittelte Zahl ihrer Einwohner weiter für zu niedrig. Die Antwort auf einen Fragenkatalog liegt ihr inzwischen vor. Doch damit ist die Sache nicht beendet.

Im Streit über die korrekte Einwohnerzahl Hanaus gibt es keine Annäherung zwischen der Stadt und dem Hessischen Statistischen Landesamt (HSL). Die Behörde hat zwar inzwischen nach eigenen Angaben die Antworten auf einen Fragenkatalog an die Brüder-Grimm-Stadt zurückgeschickt, doch die ist damit völlig unzufrieden. „Auf unsere 29 Fragen an das HSL haben wir null Antworten bekommen. Das ist irgendwo zwischen atemberaubend und skandalös einzuordnen“, kritisierte der Hanauer Bürgermeister Maximilian Bieri (SPD). 

Die Stadt bezweifelt, dass bei der Berechnung des jüngsten Zensus methodisch alles korrekt abgelaufen ist und hält die ermittelte Einwohnerzahl für viel zu niedrig. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Zensus, der nur alle zehn Jahre stattfinde, korrektere Zahlen liefern solle als das Hanauer Einwohnermeldeamt, in dem täglich Einwohndaten korrigiert und aktualisiert würden, sagte der Bürgermeister.

Das HSL hält das angewandte statistische Verfahren für wissenschaftlich fundiert und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt und macht deutlich, dass aus seiner Sicht in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen ist. Die Daten seien nachvollziehbar, betonte die Behörde. Hanau stellt sich nun laut Bürgermeister Bieri darauf ein, die Angelegenheit notfalls vor dem Verwaltungsgericht auszutragen.

Überdurchschnittliche Rückgänge auch in anderen Städten

Laut Zensus zählte Hanau am Stichtag 15. Mai 2022 nur noch 93.632 statt 100.307 Einwohner, wie aufgrund der sogenannten Bevölkerungsfortschreibung angenommen worden war. Damit hat Hanau seinen Status als Großstadt vorerst verloren. Auch finanzielle Nachteile drohen: Die Ergebnisse des Zensus sind eine wichtige Kennzahl dafür, wie viel Geld Städte und Gemeinden in Zukunft durch den Länder- und den kommunalen Finanzausgleich sowie durch EU-Fördermittel zugewiesen bekommen. 

Überdurchschnittliche Rückgänge bei der Einwohnerzahl brachte der jüngste Zensus nach Angaben des Hessischen Städtetags beispielsweise auch in Fulda, Gießen und Marburg. Auch Frankfurt und Kassel verzeichneten ein deutliches Minus. Laut Städtetag werden die „Ergebnisse des Zensus 2022 zu erheblichen finanziellen Verwerfungen“ unter seinen Mitgliedern führen. Relevant werden sollen die Zahlen aber erst für den Kommunalen Finanzausgleich 2026.