Drei Meter groß und 160 Kilogramm schwer: Forschende untersuchten das Fossil des größten bekannten Terrorvogels – und entdeckten, welcher noch größere Räuber ihn getötet hat
Sie konnten nicht fliegen, waren drei Meter groß und hungrig auf Fleisch: Die Mitglieder der ausgestorbenen Familie der Terrorvögel (Phorusrhacidae), die im Miozän durch Südamerika stampften und dort Angst und Schrecken verbreiteten, hatten wenig gemein mit ihren Verwandten, die heute zwitschernd von Ast zu Ast flattern. Wie wenig, zeigt die Untersuchung eines versteinerten Beinknochens, deren Ergebnisse Forschende in der Fachzeitschrift „Papers in Palaeontology“ veröffentlicht haben.
Die Forschenden aus Argentinien, Kolumbien, den USA und Peru analysierten einen Knochen, der bereits vor fast 20 Jahren in der besonders fossilreichen Tatacoa-Wüste in Kolumbien entdeckt, aber erst im vergangenen Jahr einem Terrorvogel zugeordnet worden war. „Terrorvögel lebten auf dem Boden, hatten zum Laufen geeignete Gliedmaßen und ernährten sich meist von anderen Tieren“, sagt Siobhán Cooke von der Johns Hopkins University School of Medicine, die an der Studie beteiligt war, in einer Mitteilung. Aufgrund der Maße des untersuchten Knochens gehen die Forschenden davon aus, dass es sich bei dem Terrorvogel um das größte bisher bekannte Exemplar seiner Art gehandelt hat. Mit geschätzten drei Meter Scheitelhöhe wäre der Vogel fünf bis 20 Prozent größer als bereits bekannte Phorusrhacidae: Bisher ging man von 90 Zentimetern bis 2,70 Metern aus.
Um von dem zwölf Millionen Jahre alten Unterschenkelknochen aus dem Zeitalter des Miozän auf die Statur des Terrorvogels schließen zu können, erstellten die Forschenden mithilfe eines Scanners ein virtuelles dreidimensionales Modell. Aus dessen Abmessungen errechneten sie, dass es sich um einen echten Koloss gehandelt haben muss. Bis zu 160 Kilogramm habe er auf die Waage gebracht, schreiben sie. Und: Der Gigant machte Jagd auf andere Tiere, war als einer der Topprädatoren der Zeit ein wichtiger Bestandteil der räuberischen Tierwelt.
Tod des Terrorvogels durch Kaiman-Attacke
Auch der Fundort der Knochen liefert neue Erkenntnisse. Bislang waren Fossilien der Terrorvögel nur in südlicheren und kühleren Regionen Südamerikas gefunden worden, in Argentinien und Uruguay etwa. Der aktuelle Fund im deutlich nördlicher gelegenen Kolumbien deutet darauf hin, dass die Terrorvögel auch in tropischeren Ökosystemen lebten. Denn wo heute karge Wüste ist, grasten vor zwölf Millionen Jahren Huftiere in einer von mäandernden Flussläufen durchzogenen Landschaft.
Da bislang keine weiteren Knochen von Terrorvögeln bekannt sind, gehen die Forschenden allerdings davon aus, dass die Tiere in der Region relativ selten waren. „Es ist aber auch möglich, dass es in bestehenden Sammlungen Fossilien gibt, die noch nicht als Terrorvögel erkannt wurden,“ sagt Cooke, etwa weil die Knochen schwieriger zuzuordnen seien.
Mit ihren aus heutiger Sicht gigantischen Körpermaßen waren die Terrorvögel zu Lebzeiten in der Region übrigens nicht allein: Glyptodonten, die Vorfahren heutiger Gürteltiere, erreichten die Größe eines Autos, Riesenfaultiere aus der ausgestorbenen Familie der Nothrotheriidae ein Gewicht von drei Tonnen. Und während diese Kolosse eher friedlich waren und sich vor allem von Pflanzen und Insekten ernährten, gab es auch deutlich unangenehmere Zeitgenossen – die selbst den Terrorvögeln zum Verhängnis werden konnten.
In den gefundenen Knochenresten glauben die Forschenden zumindest Zahnabdrücke von Purussaurus zu erkennen, einem ausgestorbenen Kaiman, der eine Länge von bis zu neun Metern erreichte. „Wir vermuten, dass der Terrorvogel angesichts der Größe der Krokodile vor zwölf Millionen Jahren an den Folgen seiner Verletzungen gestorben wäre“, sagt Cooke. Größe ist eben relativ.